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6. Altenbericht

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situation befinden sich in unserer Gesellschaft Frauen mit nichtwestlichen Migrationshintergründen<br />

aus unteren Bevölkerungsschichten.<br />

Gerade aber für dermaßen benachteiligte Menschen bieten ethnisches Selbstverständnis<br />

und besonders auch religiöse Einstellungen und Organisationen einen nicht unerheblichen<br />

Halt und Schutz im Alter. Die Ethno-Gerontologie spricht von Ethnizität und Religiosität<br />

als Ressourcen, auf die gerade im Alter zurückgegriffen wird (von Kondratowitz<br />

1999). Es steigt das Interesse an herkunftsspezifischen Erinnerungen, an der eigenen<br />

kulturellen und religiösen Identität, wie sie allerdings immer wieder neu und in Auseinandersetzung<br />

mit den umgebenden kulturellen Einflüssen interpretiert wird. Das heißt, dass<br />

Ethnizität und Religiosität, kulturelle Herkunfts- und Glaubenshorizonte im Alter zwar von<br />

besonderer Bedeutung sind; sie sind aber durchaus nicht generell als selbstverständliche<br />

oder gar statische Übereinstimmungen und Zustimmungen aufzufassen. Vielmehr handelt<br />

es sich um einen ständigen Prozess des Hervorhebens bestimmter Aspekte, um Neubestimmungen<br />

und Aushandlungen dessen, was für die eigene Identität im Alter als kennzeichnend,<br />

wichtig und wertvoll erfahren und erachtet wird. Das lässt sich exemplarisch<br />

am größten Migrantenkreis in Deutschland zeigen, den Zu- und Einwanderern aus der<br />

Türkei.<br />

Die Sicht- und Verhaltensweisen von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund<br />

sind zum einen von ethischen und moralischen Grundsätzen des Islam, zum anderen von<br />

säkularen und republikanischen Prinzipien seit Kemal Atatürk beeinflusst. Es gibt mindestens<br />

so divergente Altersbilder innerhalb dieser einen Teilkultur in Deutschland wie in der<br />

Türkei. Das hat nicht zuletzt mit der jeweiligen regionalen Herkunft sowie mit sozialen<br />

Schichtungen und Bildungsmilieus zu tun. Außerdem sind immer auch Übergänge zwischen<br />

türkischer und deutscher Kultur zu beachten. Schließlich besteht eine zum Teil erhebliche<br />

Diskrepanz zwischen religiösen Sichtweisen auf der einen Seite und weltlichen<br />

Verhaltensweisen auf der anderen Seite. Gesellschaftlicher und kultureller Wandel sowie<br />

transkulturelle Prozesse führen zu weltanschaulicher und pragmatischer Vielstimmigkeit<br />

(die folgenden Ausführungen nach Weintritt 2008 und 2009; Tufan 2009).<br />

Sofern von gläubigen Muslimen und Musliminnen die Rede ist, gilt die Grundregel aus<br />

dem Koran: „Zu den Eltern sollt ihr gütig sein“. Darüber hinaus kommen für islamische<br />

Altersbilder vor allem zwei Aspekte zum Tragen, wie sie der Koran und die Hadithe (Worte<br />

und Handlungen des Propheten) darlegen. Einerseits werden körperliche und geistige<br />

Hinfälligkeit und Hilfsbedürftigkeit bedacht. Andererseits werden Weisheit und Würde,<br />

religiöse Reife und Nähe zur Ewigkeit hervorgehoben. Diesen beiden Seiten lassen sich<br />

jeweils zwei hauptsächliche Pflichten zuordnen, nämlich zum einen Pflichten, denen die<br />

Gemeinschaft und Verwandtschaft (insbesondere die Familie) gegenüber älteren Men-<br />

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