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6. Altenbericht

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195). Über den Behinderungsbegriff des SGB IX ist die ICF auch im deutschen Sozialrecht<br />

von Relevanz (Welti 2007). Die ICF fördert ein prozessorientiertes Verständnis von<br />

Pflegebedürftigkeit und verknüpft ein medizinisches mit einem sozialen Konzept. Sie unterstützt<br />

unter den Prämissen der Aktivität, der Autonomie und der Teilhabemöglichkeiten<br />

und vor dem Hintergrund individueller Personen- und Umweltfaktoren ein umfassendes<br />

Verständnis von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit.<br />

10.1.5 Die Vielfalt der Perspektiven nutzen<br />

Die unterschiedlichen Zugänge zum Verständnis von Pflege, Pflegebedürftigkeit und Pflegebedarf<br />

zeigen auf, wie vielfältig die mit diesen Begriffen verbundenen Vorstellungen<br />

und Sichtweisen sein können. Diese Pflege-Bilder sind bedeutsam für Selbst- und Fremdbilder,<br />

für die Interaktionsgestaltung und für Aushandlungsprozesse in der Pflege. Die<br />

Vielfalt der Blickrichtungen auf Pflege und Pflegebedürftigkeit sollte für Aushandlungen<br />

um die Gestaltung von Unterstützungs- und Pflegebedarfen nutzbar gemacht werden. Sie<br />

ist in der Lage, das „Feld der Pflege“, in dem auch Machtpositionen verschiedener Akteursgruppen<br />

(Ärzte und Ärztinnen, Pflegekräfte, Pflegedienste, Pflegekassen, Angehörige)<br />

eine entscheidende Rolle spielen, zu öffnen und neue Antworten und Bilder gelingender<br />

Pflege entstehen zu lassen (Dörner 2009).<br />

In der „Behindertenbewegung“ erfolgt schon eine Auseinandersetzung mit den Konzepten<br />

von Pflegebedürftigkeit und Pflegebedarf. Unter dem Leitbild des „selbstbestimmten Lebens“<br />

wird „Pflegebedarf“ in einen Zusammenhang mit den Grundbedürfnissen des Menschen<br />

gestellt, zu denen Hygiene, körperliches Wohlbefinden und Mobilität gehören. Im<br />

Vordergrund des Umgangs mit „Pflegebedürftigkeit“ bei Menschen mit Behinderungen<br />

steht das Ziel, Autonomie bei gleichzeitiger Sicherung der Grundbedürfnisse zu leben.<br />

Kompetenz und Pflegebedarf sind keine Gegensätze: Menschen mit Behinderungen sind<br />

kompetente Experten und Expertinnen in eigener Sache, die selbst bestimmen, wie sie<br />

ihren individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf realisieren. Pflegerischer Unterstützung<br />

hat hier eher die Funktion, Teilhabe und Autonomie zu sichern (Siebert 2009). Dementsprechend<br />

hat sich in der Behindertenhilfe die Semantik verändert – es wird weniger<br />

von „Behinderten“ als von „Menschen mit Behinderung“ gesprochen. Ähnlich zeichnet sich<br />

im Zusammenhang mit Demenz ein reflektierter Sprachgebrauch ab, bei dem eher von<br />

„Menschen mit Demenz“ als von „Dementen“ gesprochen wird.<br />

Wenn das Konzept der bewusst angenommenen Abhängigkeit (Kruse 2005a) und Vorstellungen<br />

vom produktiven Alter auch auf Grenzsituationen und Vulnerabilität erstreckt<br />

werden sollen und wenn die Person als Subjekt in ihren sozialen und Sinnbezügen in den<br />

Mittelpunkt sorgender und pflegerischer Bemühungen gestellt werden soll, dann ist eine<br />

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