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6. Altenbericht

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cherungsgeschehen in Heimen und Pflegediensten. Damit wurde eine eher medizinischpflegerische<br />

Sicht auf die Pflege verstärkt (Remmers 2009).<br />

Der Selektivität des Pflegebedürftigkeitsbegriffes wurde gegenüber Menschen mit Demenz<br />

dadurch entgegengewirkt, dass Ansprüche für „Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz“<br />

eingeführt wurden, die über den engen Pflegebedürftigkeitsbegriff und<br />

das bisherige Leistungsrecht hinausgehen (§§ 45a ff. SGB XI). Damit wurde den verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken gegenüber einem Pflegebedürftigkeitsbegriff, der partiell<br />

Menschen mit Demenz diskriminiert, bis zur Verabschiedung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes<br />

Rechnung getragen. Auch hier wird – sozialrechtlich nachvollziehbar – an<br />

Defiziten angeknüpft, gleichzeitig werden aber andere als pflegerische Bedarfe leistungsauslösend.<br />

Damit hat sich insgesamt, trotz aller Bemühungen um eine Öffnung und Qualifizierung<br />

des Pflegeverständnisses, eine Konstruktion von Pflege und Pflegebedürftigkeit in Bezug<br />

auf alte Menschen etabliert, die den weiten Bedeutungsgehalt dessen, was unter Pflege<br />

zu verstehen ist, nicht konsequent aufnimmt und in einem sozialversicherungsrechtlichen<br />

Leistungsgesetz auch nicht aufnehmen kann. Das gilt ebenso für die vielfältigen Erscheinungsformen<br />

und Konzepte der Gestaltung von Pflege. Die sehr unterschiedlichen Lebenslagen<br />

pflegebedürftiger Menschen und Aspekte der sozialen Ungleichheit (Bauer und<br />

Büscher 2008) werden in der institutionellen Ausgestaltung der Pflegeversicherung ebenso<br />

vernachlässigt wie die Bedeutung sozialer Netzwerkkonstellationen. In gewisser Weise<br />

bleibt eine Vorstellung von individueller „Gebrechlichkeitspflege“ (Udsching 2007) erhalten<br />

oder wird weiter etabliert. Und dies, obwohl die Pflegeversicherung – anders als etwa in<br />

Japan – an sich altersunspezifisch ausgerichtet ist und ältere Menschen nicht anders behandelt<br />

als jüngere Pflegebedürftige. Sie vergibt an Menschen mit Pflegebedarf den stigmatisierenden<br />

Status „pflegebedürftig“, der – bei aller auch öffentlich anerkannten Bedeutung<br />

der Leistungen der Pflegeversicherung – andere Hilfebedarfe in ihrer Bedeutung<br />

relativiert und marginalisiert. Die Grenzen des systemimmanent selektiven und individualisierten<br />

Pflegebedürftigkeitsbegriffes im SGB XI werden nicht wirksam von anderen Systemen,<br />

wie dem der Rehabilitation oder der Sozialhilfe, aufgefangen. Die Kompensation<br />

der Leistungsgrenzen der Pflegeversicherung obliegt tatsächlich weithin der betroffenen<br />

Person, seiner Familie oder seinem sozialen Umfeld.<br />

Umfassendere sozialrechtliche Pflegebedürftigkeitsbegriffe<br />

Weiter als der Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

in der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII. Hier werden auch so genannte<br />

„andere Verrichtungen“ in den Leistungsrahmen der sozialhilferechtlichen Rechtsansprü-<br />

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