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6. Altenbericht

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wünscht Entscheidungen von Angehörigen, Ärzten und Ärztinnen, die an ihrem eigenen<br />

Willen und weltanschaulichen Überzeugungen orientiert sind. Für viele ältere Menschen<br />

spielen Patientenverfügungen dagegen keine wesentliche Rolle; sie vertrauen eher auf<br />

die Entscheidungskompetenz der sie betreuenden Personen.<br />

Im Zusammenhang mit der Diskussion um Altersbilder befördert die gesetzliche Regelung<br />

von Patientenverfügungen einerseits die Achtung der Autonomie und Selbstverantwortlichkeit<br />

älterer Menschen: Ihre Willensäußerungen sind maßgeblich; paternalistische Entscheidungen<br />

über den Kopf der Patientinnen und Patienten hinweg werden grundsätzlich<br />

als illegitim bewertet. Die Bürgerinnen und Bürger werden auf die Möglichkeit und den<br />

Anlass verwiesen, sich mit Fragen ihres Todes und Sterbens prospektiv auseinanderzusetzen.<br />

Ärzten, Ärztinnen, Pflegekräften und Angehörigen wird durch die neue Rechtslage<br />

die Rechtsstellung der Patientinnen und Patienten noch einmal verdeutlicht. Insofern<br />

kommt Patientenverfügungen auch eine „didaktische“ Funktion zu. Andererseits können<br />

mit dem Rechtsinstitut der Patientenverfügung Erwartungen verbunden werden, die mit<br />

sozialer Erwünschtheit zu tun haben: Der Verzicht auf eine unter Umständen teure Behandlung<br />

im hohen Alter kann sich zur sozialen Norm verdichten und den demografischen<br />

Belastungsdiskurs befördern. Institutionen haben ein Interesse an organisations- oder<br />

professionsinterner Absicherung, die sich in einer Beratung in Richtung Patientenverfügung<br />

ausdrücken kann, die aber nicht unbedingt im Interesse des Patienten oder der Patientin<br />

liegen muss. Schließlich suggeriert das Rechtsinstitut der Patientenverfügung eine<br />

weitgehende Regelbarkeit von Fragen im Zusammenhang mit Tod und Sterben. Damit<br />

beeinflusst es kulturelle und religiöse Umgangsformen mit Tod und Sterben und stellt das<br />

anthropologische Prinzip der Autonomie dort auf den Prüfstand, wo es für viele Menschen<br />

eher um die Akzeptanz von Abhängigkeit und Verwiesenheit geht. Offen bleibt auch, inwieweit<br />

eine vorab verfasste Verfügungen wirklich dem aktuellen Willen des nicht mehr<br />

äußerungsfähigen Menschen entspricht. Eine Prüfung der aktuellen Gültigkeit erscheint<br />

besonders bei Demenzkranken problematisch.<br />

Patientenverfügungen machen eine personale Unterstützung bei komplexen Entscheidungssituationen<br />

(etwa durch Betreuungspersonen und Bevollmächtigte) in der Regel<br />

ebenso wenig überflüssig wie eine ethische Auseinandersetzung mit konfliktreichen Entscheidungssituationen<br />

in dafür vorgesehenen Verfahren (ethische Fallbesprechungen,<br />

Konsil) in Krankenhäusern, Pflegeheimen und der ambulanten Versorgung. Todkranke<br />

und Sterbende sollten darauf vertrauen können, dass solche Verfahren etabliert werden.<br />

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