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6. Altenbericht

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dass vielfach vorhandene Möglichkeiten der Diagnostik, Therapie und Aktivierung nicht<br />

genutzt werden und damit eine Hilfe unterbleibt.<br />

Die psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen wird deren Behandlungsbedarf<br />

nach wie vor nicht gerecht. Auf der Grundlage vorliegender Untersuchungen ist davon<br />

auszugehen, dass bei bis zu zehn Prozent der über 60-Jährigen die Indikation einer Psychotherapie<br />

gegeben ist, ein großer Anteil dieser Personen aber keine entsprechende<br />

Behandlung erhält. Die Wahrscheinlichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung<br />

nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab: Während die 60- bis 69-Jährigen mit einem<br />

Anteil von etwa 5,2 Prozent an der Gesamtheit aller Patienten und Patientinnen in<br />

Deutschland bereits deutlich unterrepräsentiert sind, weist der Anteil der Gruppe der über<br />

70-Jährigen mit etwa 1,3 Prozent ein deutliches Versorgungsdefizit aus.<br />

Derartige Befunde lassen sich nur zum Teil zurückführen auf die unter älteren Menschen<br />

im Allgemeinen verbreitete deutlich höhere Skepsis gegenüber einer Psychotherapie oder<br />

auf deren geringere Neigung, psychische Probleme als Hinweis auf eine behandlungsbedürftige<br />

psychische Erkrankung zu interpretieren. Ein wichtiger Grund für das skizzierte<br />

Versorgungsdefizit ist auch in Annahmen über das Alter(n) zu sehen, wie sie unter den<br />

potenziell Behandelnden verbreitet sind: Mit höherem Lebensalter wird vielfach eine geringere<br />

psychische Veränderbarkeit (Plastizität) assoziiert; zudem gelten ältere Menschen<br />

– vor allem im Falle chronisch-degenerativer Erkrankungen und hirnorganischer Erkrankungen<br />

sowie im Falle einer zunehmenden Hilfsbedürftigkeit – als „schwierige“ Patienten<br />

und Patientinnen (Heuft und Schneider 2004). Gerade im Kontext der Psychotherapie<br />

werden Altersbilder – gesellschaftliche wie individuelle – hoch relevant und tragen nicht<br />

selten dazu bei, dass ein älterer Mensch eine notwendige und sinnvolle Behandlung nicht<br />

erhält. Dabei sind ausdrücklich auch die Altersbilder des älteren Menschen selbst angesprochen:<br />

Ist eine ältere Person von einer geringen psychischen Veränderbarkeit überzeugt,<br />

so ist die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlung ebenfalls unwahrscheinlich.<br />

Aufseiten der Psychotherapie selbst sind negative Altersbilder belegt, die einem Einbezug<br />

älterer Menschen im Wege stehen. So ging zum Beispiel Sigmund Freud davon aus, dass<br />

die Erfolgschancen einer psychoanalytischen Therapie mit fortschreitendem Alter immer<br />

geringer werden, weil er die Ursachen für Probleme vor allem in der Kindheit vermutete<br />

und sie deshalb im Alter schon sehr weit zurück liegen. Freud nahm an, dass im Alter die<br />

für eine psychoanalytische Therapie nötige Plastizität der Person nicht mehr gegeben sei.<br />

Er stellte demgegenüber aber auch fest, dass es durchaus Menschen gebe, die auch in<br />

der zweiten Lebenshälfte psychische Plastizität aufweisen und deshalb von einer Psychotherapie<br />

profitieren könnten (Freud 1917 und 1923). Der Psychologe Carl Gustav Jung<br />

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