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6. Altenbericht

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Lebenslaufs in Bildungs-, Erwerbs- und Ruhephase – wie sie rechtlich und sozialpolitisch<br />

abgesichert ist (Allmendinger 1994) – strukturiert auch die Optionsmöglichkeiten und das<br />

Optionsverhalten. Die Arbeitswelt gibt der Lebenswelt den Rhythmus vor. Auch Ziele und<br />

Lebensstile im Alter sind wesentlich durch das vorherige Erwerbsleben geprägt (Atchley<br />

1989). Außerdem ist das Optionsverhalten durch Orientierungen, Motive und Interessen<br />

geprägt, wie sie sich im Lebenslauf jedes einzelnen Menschen als Daseinsthemen herausbilden<br />

(Thomae 1996).<br />

Von Multioptionalität kann also nur in sozialen, kulturellen und individuellen Grenzen die<br />

Rede sein. Das Spektrum optionaler Möglichkeiten ist gesellschaftlich und ökonomisch<br />

vorstrukturiert. Hinzu kommt, dass Optionalität selbst als „soziale Anforderung“, als<br />

zwanghafte „Verallgemeinerung von normativen Erfolgs- und Bilanzierungskriterien“ aufgefasst<br />

werden kann, wie sie für eine kapitalistische Arbeits- und Konsumgesellschaft<br />

typisch sind. Die Formel vom multioptionalen, produktiven, erfolgreichen Altern wäre somit<br />

als ein „Regime“ oder „Normalisierungsprogramm“ zu problematisieren, das die Einschätzung<br />

des Alters einseitig an der Norm ausrichtet, sich bis ins hohe Alter flexibel, mobil und<br />

aktiv zu halten (Foucault 1978; Sennett 2006). In der Spannung zwischen den denkbaren<br />

Optionen zur Lebensgestaltung einerseits und der faktischen Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten<br />

andererseits bieten Alters-Ratgeber Hilfe und Orientierung an.<br />

c) Alters-Ratgeber<br />

Auf der einen Seite besteht die Möglichkeit und die Anforderung, das eigene Altern multioptional<br />

zu gestalten, nämlich Altersbilder zu hinterfragen und zu überprüfen, auszuwählen,<br />

zu kombinieren und selbstständig zu entwerfen. Dafür eröffnen moderne Gesellschaften<br />

erhebliche Spielräume und davon machen insbesondere Alters-Avantgarden Gebrauch.<br />

Auf der anderen Seite ist mit deutlichen Einschränkungen, mit prekären Lebensläufen<br />

bis hin zu Altersarmut zu rechnen. Aber auch schichtübergreifend sind Individuen<br />

bis ins hohe Alter hinein Irritationen und Desorientierungen ausgesetzt. Darauf reagieren<br />

Alters-Ratgeber, indem sie Informationen aufbereiten, Risiken abschätzen, Optionen ausloten.<br />

Alters-Ratgeber sind ein Medium für die Verbreitung von Altersbildern, dessen Bedeutung<br />

nicht unterschätzt werden sollte. Sie erscheinen unter Buchtiteln wie „Kunst des Älterwerdens“,<br />

„Was im Alter möglich ist“, „Wie man in Würde altert“, „Gelassen älter werden“ oder<br />

auch „Topfit bis ins hohe Alter“, „Silver Sex“. Alters-Ratgeber sind erst in jüngerer Zeit zu<br />

einem Massenphänomen geworden. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein bloßes Freizeitvergnügen<br />

oder um ein Gesellschaftsspiel. Vielmehr spiegelt ihre Massenauflage das<br />

verbreitete Bedürfnis wider, Altersrollen neu zu verstehen, zu entwerfen, zu justieren. Die<br />

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