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6. Altenbericht

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Übersicht 9.1: Formen der Rationierung<br />

Prinzipiell kann Rationierung hinsichtlich ihrer Wirkungsebenen und Mechanismen wie<br />

folgt differenziert werden (Fozouni und Güntert 2000):<br />

(1) Harte versus weiche Rationierung. Bei harter Rationierung sind die Ressourcen<br />

zur Bedarfsdeckung nicht ausdehnbar (z. B. bei Transplantation), bei weicher<br />

Rationierung ist die Ressourcenbegrenzung variabel (z. B. Budgetausweitungen<br />

durch Verhandlungen oder durch politische Prozesse).<br />

(2) Scharfe versus schwache Rationierung. Scharfe Rationierung grenzt Personen<br />

direkt von Leistungen aus (z. B. über Persönlichkeitsmerkmale). Klare Alters-<br />

grenzen als Vorgaben sind dabei in deutschen Kliniken bisher unbekannt.<br />

Schwache Rationierung erschwert den Zugang zu Leistungen durch instrumen-<br />

telle Barrieren (z. B. Wartelisten bei Tumorpatienten) oder finanzielle Hürden (z.<br />

B. Zuzahlungen bei Medikamenten und Zahnersatz). Letztere stellen vor allem<br />

für einkommensschwache Gruppen sowie für chronisch Kranke und damit insbe-<br />

sondere ältere Menschen eine Form der Rationierung dar.<br />

(3) Direkte versus indirekte Rationierung. Bei direkter Rationierung werden bestimm-<br />

ten Bevölkerungsgruppen medizinisch notwendige Leistungen verweigert (z. B.<br />

Lebertransplantationen bei chronischer Hepatitis). Indirekte Rationierung liegt<br />

dann vor, wenn prinzipiell die zur Verfügung stehenden Mittel gleichmäßig verteilt<br />

werden könnten, es durch strukturelle Versorgungsengpässe aber zu einem leis-<br />

tungsverweigernden Charakter kommt.<br />

(4) Explizite versus implizite Rationierung. Bei expliziter Rationierung wird eine öf-<br />

fentliche Debatte über Rationierungskriterien geführt, bei impliziter Rationierung<br />

fehlen allgemein anerkannte und transparente Kriterien. In Deutschland erfolgt<br />

explizite Rationierung vorrangig in Form von Selbstbeteiligungen. Ein für selbst-<br />

verständlich gehaltenes System expliziter Rationierung findet sich im Bereich der<br />

Organtransplantation; hier sind die entscheidenden Legitimationsressourcen for-<br />

malisierte Verfahren, die soziale Neutralität signalisieren und damit Systemver-<br />

trauen stiften sollen.<br />

Als ein weiteres Rationierungsphänomen stellt sich die selektive Steuerung der Aufnahme<br />

von Patienten oder Patientinnen mit zu erwartenden hohen Kosten dar (z. B. bei schwer<br />

verunfallten Personen).<br />

Ob und inwieweit das Kriterium Alter hierzulande eine Rolle bei Rationierungsentscheidungen<br />

im Alltag spielt, und was Ärzte und Ärztinnen mit diesem Kriterium verbinden,<br />

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