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6. Altenbericht

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Zweitens müssen die in einer Gesellschaft bestehenden Möglichkeiten berücksichtigt<br />

werden, auch im Alter produktiv zu sein, das heißt, gesellschaftlich anerkannte Rollen<br />

wahrzunehmen. In diesem Kontext ist zunächst die kritische Reflexion aller offenen und<br />

verdeckten Altersgrenzen eine wichtige Forderung. Dabei ist das Leitbild des produktiven<br />

Alters nicht für alle Bevölkerungsschichten in gleichem Maße zu verwirklichen. Denn es<br />

verweist auf mehr oder weniger lebenslang bestehende gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />

und Ermöglichungsstrukturen, die in prekären Lebenslagen nicht (oder zumindest<br />

nur in Teilen) vorausgesetzt werden können. Die gesellschaftlich postulierte Produktivität<br />

des Alters sollte aus diesem Grunde auch für soziale Ungleichheiten sensibilisieren: Denn<br />

gesellschaftlich produktiv können Menschen im Alter nur in dem Maße sein, in dem sie in<br />

ihrer Biografie entwicklungsförderliche Lebensbedingungen erfahren und genutzt haben.<br />

Eine unzureichende Differenzierung von Altersbildern spiegelt sich auch in einem reduktionistischen<br />

Menschenbild, das Wesen und Würde des Menschen zu Lasten von Emotionalität,<br />

Empathie und Bezogenheit einseitig auf Nützlichkeit und kognitive Fähigkeiten<br />

gründet. Vor dem Hintergrund eines derart reduktionistischen Menschenbildes können<br />

bereits eingetretene oder antizipierte Einbußen der Leistungsfähigkeit zum einen die<br />

Selbstwahrnehmung und Identität der betroffenen Menschen grundlegend infrage stellen,<br />

zum anderen können sie einen Verlust an Gemeinschaftlichkeit und Gemeinschaftserleben<br />

auslösen und damit eine grundlegende Voraussetzung für die gesellschaftliche Partizipation<br />

der Betroffenen gefährden.<br />

Drittens muss die gesellschaftliche Ansprache älterer Menschen reflektiert werden: Inwieweit<br />

werden diese als potenziell mitverantwortliche Handelnde oder aber primär als<br />

passive, abhängige Mitglieder unserer Gesellschaft angesprochen? Bei aller Akzentuierung<br />

von Potenzialen und der Notwendigkeit, diese gesellschaftlich weit stärker zu nutzen<br />

als bisher, darf eine bestimmte, mehr oder weniger privilegierte soziale Schichten motivierende<br />

Ansprache nicht zu einer Abwertung und Diskreditierung unterprivilegierter Schichten<br />

führen. Auch die Ansprache älterer Menschen muss sich an der Heterogenität des<br />

Alters orientieren und diese respektieren. Dabei ist besonders wichtig, sich bei der öffentlichen<br />

Kommunikation von Potenzialen des Alters nicht nur an Entwicklungsgewinnen zu<br />

orientieren, die für mittlere und höhere Sozialschichten charakteristisch sind und Potenziale<br />

ausschließlich aus diesen Entwicklungsgewinnen abzuleiten (wie z. B. das berufliche<br />

Expertenwissen). In der öffentlichen Kommunikation ist auch zu betonen, dass Menschen<br />

als Menschen und ganz unabhängig von Leistungen, die sie in ihrer Biografie erbracht<br />

haben, Potenziale für eine persönlich, aber auch gesellschaftlich erfüllte Lebensführung<br />

besitzen. Zu nennen sind hier vor allem die Möglichkeiten der Begegnung und der Solida-<br />

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