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6. Altenbericht

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menhang mit der Pflege älterer Menschen. Er steht für Bilder von bettlägerigen, auf fremde<br />

Hilfe verwiesene, pflegebedürftige, zumeist alte Menschen.<br />

Der Begriff „Pflegefall“ ist ein juristisch überflüssiger Begriff, aber einer mit Tradition und<br />

kultureller Prägekraft. Er ist eine sprachliche Manifestation negativer Altersbilder. Im Dritten<br />

Reich war der „Pflegefall“, insbesondere in Verbindung mit dementiellen Erkrankungen<br />

(„Greisenveränderung“ des Gehirns), assoziiert mit Lebensunwert. Es hieß, Pflegefälle<br />

stellten für ihre Angehörigen eine „furchtbar schwere Belastung“ dar. Da sie „großer<br />

Pflege“ bedürfen, gäben sie Anlass, dass ein Menschenberuf entstehe, der darin aufgehe,<br />

„absolut lebensunwertes Leben für Jahre und Jahrzehnte zu fristen“. Bei diesen Menschen<br />

handele es sich um „Ballastexistenzen“ (Hoche, zitiert nach Klee 1983: 22).<br />

In den 1990er Jahren wurde von maßgeblichen Organisationen der damaligen „Altenhilfe“<br />

eine Kampagne aufgelegt, die sich gegen die weitere Verwendung des Begriffs „Pflegefall“<br />

und gegen die mit der Verwendung des Begriffes verbundene Diskriminierung alter<br />

Menschen mit Pflegebedarf richtete (Klie und Scholz-Weinrich 1991). Der Begriff hat potenziell<br />

negative Auswirkungen auf die Bilder von Pflegebedürftigkeit im Alter, sowohl bei<br />

den Betroffenen als auch bei den Angehörigen und beruflich Pflegenden: Er verstärkt Stereotype<br />

von auf Hilfe angewiesenen älteren Menschen.<br />

10.1.2 Sozialrechtliche Pflegebedürftigkeitsbegriffe<br />

Mit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1994 wurde ein neues Kapitel in der sozialen<br />

Sicherung bei „Pflegebedürftigkeit“ aufgeschlagen. Der im SGB XI verankerte Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

prägt seitdem das Verständnis von Pflege und Pflegebedürftigkeit.<br />

Der selektive Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI<br />

Der Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI ist in hohem Maße verrichtungsbezogen. Er<br />

konzentriert sich auf somatische, also auf körperbezogene Unterstützungsbedarfe. Die im<br />

Rahmen der Pflegeversicherung eingeführten Pflegestufen dienen der Begründung von<br />

Rechtsansprüchen auf Pflegeleistungen. Die Pflegestufen haben sich auch im Sprachgebrauch<br />

der Bevölkerung verankert: Sie reichen von der Pflegestufe I bis zur Pflegestufe<br />

III und dann noch bis zum „Härtefall“. Den gesetzlich festgelegten Stufen liegen 21 Verrichtungen<br />

aus den vier Bereichen Mobilität, Hygiene, Nahrungsaufnahme und Hauswirtschaft<br />

zugrunde (§§ 14 f. SGB XI). Damit wird ein Ausschnitt aus dem gesamten Hilfebedarf<br />

einer „pflegebedürftigen Person“ zur Grundlage der Feststellung der Pflegebedürftigkeit<br />

gemacht. Dieser Ausschnitt ist zugleich bestimmend für die Leistungen, die im ambulanten<br />

Bereich bezogen werden.<br />

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