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6. Altenbericht

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Der Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI ist in seiner verrichtungsbezogenen Konzeption<br />

(notwendigerweise) selektiv. Darüber hinausgehende Hilfebedarfe, wie zum Beispiel<br />

verrichtungsunabhängige Bedarfe im Bereich der Kommunikation, die etwa in bedürfnisund<br />

interaktionsorientierten Pflegetheorien und Pflegekonzepten berücksichtigt werden<br />

(Roper u. a. 1997), bleiben in der pflegeversicherungsrechtlichen Definition unberücksichtigt.<br />

Allenfalls ein ausgesprochen instrumentelles Verständnis von Kommunikation ist bei<br />

der „Leistungserbringung“ der Pflege zu berücksichtigen, wobei entsprechende Bedarfe<br />

aber nicht leistungsbegründend sind (Remmers 2009). Der Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

lässt somit zentrale Hilfebedarfe mancher Personengruppen, etwa die persönliche Unterstützung<br />

von Menschen mit Demenz, von geistig Behinderten oder von psychisch Kranken<br />

weitgehend unberücksichtigt.<br />

Derzeit prägt er jedoch noch das Verständnis von Pflegebedürftigkeit und wirkt als Versicherungsfall<br />

statusbegründend: Sich ihm zu entziehen ist gleichbedeutend mit dem Verzicht<br />

auf Sozialleistungen. Stellt im Begutachtungsverfahren zur Feststellung der „Pflegebedürftigkeit“<br />

eine versicherte Person nur ihre Kompetenzen und ihre Fähigkeiten heraus,<br />

wird sie gegebenenfalls nicht (im möglichen Umfang) als pflegebedürftig eingestuft. Nun<br />

ist bei allen konditionalprogrammierten Sozialleistungen die Einräumung von Leistungsansprüchen<br />

notwendigerweise mit der Verrechtlichung eines komplexen Lebenssachverhaltes<br />

verbunden. Nur wirkt der selektive Pflegebedürftigkeitsbegriff mit seinen Grenzen<br />

besonders stark, da trotz der „Teilkaskokonzeption“ der Pflegeversicherung die Leistungen<br />

nach dem SGB XI faktisch bestimmend sind: die „Regiekompetenz“ für die Pflege<br />

kommt trotz begrenzter Leistungen den Pflegekassen zu.<br />

Zwar wurden im SGB XI der Grundsatz einer „aktivierenden Pflege“, der Grundsatz eines<br />

Vorrangs der Rehabilitation vor der Pflege sowie der Grundsatz der Würde und Selbstbestimmung<br />

als verbindliche normative Orientierungen für die Leistungserbringung verankert<br />

(§ 2 SGB XI). Die aktivierende Pflege hat jedoch keinen eigenständigen leistungsrechtlichen<br />

Stellenwert (Wiese 2005). Die Zielsetzungen und Anforderungen der aktivierenden<br />

Pflege und die Förderung individueller Selbstbestimmung werden deshalb in der Praxis<br />

nur sehr eingeschränkt umgesetzt, da die institutionellen Rahmenbedingungen der Pflegeversicherung<br />

dafür nicht genügend Raum lassen. Dazu kommt, dass die Leistungserbringung<br />

in der Pflege von Anfang an auf den wissenschaftlichen Grundlagen der Fachpflege<br />

aufgebaut wurde (§§ 114 ff. SGB XI). Dies wurde im Zuge der 2008 neu formulierten<br />

Regelungen zur Qualitätssicherung noch verstärkt. Pflege wird seitdem noch stärker<br />

als in der Vergangenheit an fachlichen Standards gemessen, Diskussionen um „Expertenstandards“<br />

in der Pflege bestimmen seitdem die Fachdiskussion und das Qualitätssi-<br />

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