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6. Altenbericht

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Wenn auch das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 Abs. 1 GG keine speziellen<br />

Aussagen zur Altersdiskriminierung kennt, so bedeutet das nicht, dass Altersdiskriminierungen<br />

unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu vernachlässigen wären.<br />

Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht bislang keinen besonders sensiblen Umgang<br />

mit gesetzlich vorgesehenen Altersgrenzen unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen<br />

Gleichbehandlungsgebotes entfaltet. Igl formuliert pointiert, „dass das Bundesverfassungsgericht<br />

in dieser Hinsicht altersblind ist“ (Igl 2009a: 103). Altersgrenzen, die in der<br />

Rechtsordnung etabliert sind (z. B. für Vertragsärzte und Vertragsärztinnen 17 oder für Vertragszahnärzte<br />

und -zahnärztinnen 18 ), hält das Bundesverfassungsgericht allesamt für<br />

vereinbar mit Artikel 12 Abs. 1 GG und Artikel 3 Abs. 1 GG. Wichtige Gemeinwohlinteressen,<br />

denen der Regelungszweck geschuldet sein muss, wurden jeweils akzeptiert respektive<br />

unterstellt und neuere gerontologische Erkenntnisse hinsichtlich der Leistungsfähigkeit<br />

älterer Menschen nicht berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich<br />

auf die Erkenntnis aus der „allgemeinen Lebenserfahrung“, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung<br />

der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer werde. 19 Das Bundesverfassungsgericht<br />

geht in seiner ständigen Rechtsprechung letztlich von einem defizitären<br />

Altersbild aus, das auf die interindividuelle Varianz der Leistungsfähigkeit nicht abhebt,<br />

sondern generalisierende Altersgrenzen weithin für gerechtfertigt hält. Insofern hat<br />

das Bundesverfassungsgericht sich nicht als Motor für eine Korrektur der Altersgrenzen<br />

hervorgetan, sondern vielmehr die Legitimation von Altersgrenzen „stabilisiert“. Das gilt im<br />

Übrigen nicht nur für das Bundesverfassungsgericht, sondern auch für andere Obergerichte,<br />

wie etwa das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu Altersgrenzen<br />

bei Hebammen. 20<br />

Anders als das Grundgesetz und die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichtes<br />

kennt das Europarecht durchaus Regelungen, die Altersdiskriminierungen zum Gegenstand<br />

haben. Das gilt für das sekundäre Gemeinschaftsrecht, wie die europäische Sozialcharta,<br />

die in Artikel 23 das Recht älterer Menschen auf sozialen Schutz betont, aber<br />

auch für die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die das Diskriminierungsverbot<br />

wegen Alters ausdrücklich in Artikel 21 erwähnt. Der Europäische Gerichtshof hat<br />

das Verbot der Altersdiskriminierung zu einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts<br />

erhoben. 21 In der Rechtssache Bartsch 22 relativiert der EuGH das Verbot<br />

der Diskriminierung aus Gründen des Alters wieder und lässt nationalen Rechtsordnun-<br />

17 BVerfG Urteil vom 31.03.1998, Az 1 BvR 2167/93.<br />

18 BVerfG Urteil vom 04.10.2001, Az 1 BvR 1435/01.<br />

19 BVerfG Beschluss vom 2<strong>6.</strong>01.2007, Az 2 BvR 2408/0<strong>6.</strong><br />

20 BVerwG Urteil vom 03.05.1956, I C 172.53, LSK 1956 859350.<br />

21 Vgl. Rechtssache Mangold OGH Große Kammer Urteil vom 22.11.2005, Az C 144/04.<br />

22 EuGH Große Kammer Urteil vom 23.09.2008, Az C 427/0<strong>6.</strong><br />

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