20.07.2013 Aufrufe

6. Altenbericht

6. Altenbericht

6. Altenbericht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Altersdepression“ wird der Eindruck vermittelt, das hohe Lebensalter sei allein für das<br />

Auftreten einer Depression verantwortlich, was jedoch nicht der Fall ist. Zudem birgt der<br />

Begriff der „Altersdepression“ die Gefahr, dass depressive Erkrankungen ebenso wie<br />

subklinische depressive Störungen nicht als solche erkannt oder nicht behandelt wer-<br />

den, weil sie möglicherweise als „natürliche Begleiterscheinung“ eines höheren Lebens-<br />

alters gedeutet werden.<br />

Anforderungen, die das Leben im hohen Alter an Menschen stellt, können deren psychische<br />

Verletzlichkeit in einem Maße erhöhen, dass in früheren Lebensabschnitten aufgetretene<br />

depressive Störungen erneut auftreten, oder dass sich depressive Störungen<br />

erstmals einstellen. Grundsätzlich gleichen depressive Episoden des jüngeren und mittleren<br />

Erwachsenenalters aber denen des höheren Lebensalters. Es tritt keine andere Art<br />

von Depression auf, sodass nicht von einer Subgruppe „Depression im Alter“ gesprochen<br />

werden kann. Des Weiteren sind Depressionen im Alter einer Behandlung ebenso zugängig<br />

wie Depressionen im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter. Bei älteren Menschen<br />

stehen oft körperliche Symptome im Vordergrund, verbunden mit hypochondrisch akzentuierten<br />

Befürchtungen, Ängsten und niedergedrückter Stimmung.<br />

Die sichere Erkennensrate einer Depression nach Arzturteil liegt in der hausärztlichen<br />

Praxis nach derzeitigem Kenntnisstand bei 38,5 Prozent (Heuft, Kruse und Radebold<br />

2006; Linden u. a. 1998). Es ist aber davon auszugehen, dass bei vielen älteren Menschen<br />

die Diagnose „Depression“ nicht gestellt wird, weil die für Depressionen typischen<br />

körperlichen Beschwerden als Begleiterscheinungen des Alternsprozesses oder als Auswirkung<br />

von Vorerkrankungen interpretiert werden und die zu beobachtenden Veränderungen<br />

in der Stimmung des älteren Menschen auf dessen Erleben von für das Alter<br />

(vermeintlich) charakteristischen Abbauprozessen und Verlusten zurückgeführt werden.<br />

Derartige Fehldeutungen bei der Diagnosestellung werden durch einseitig akzentuierte<br />

Altersbilder begünstigt, die insbesondere der Tatsache nicht gerecht werden, dass ein<br />

Großteil der älteren Menschen über bemerkenswerte psychische Ressourcen verfügt, die<br />

sie in die Lage versetzen, mit den Anforderungen dieser Lebensphase kompetent umzugehen.<br />

Diese hohe Kompetenz bildet einen Schutz gegen Depressionen, sodass diese im<br />

Alter trotz der Zunahme an Risiken und Verlusten in ihrer Häufigkeit nicht zunehmen. Es<br />

kann nicht häufig genug betont werden, dass depressive Symptome bis in das höchste<br />

Lebensalter therapierbar sind; gegenteilige Überzeugungen sind als das Ergebnis undifferenzierter,<br />

eben nicht an empirischen Befunden orientierter Altersbilder zurückzuweisen.<br />

Solche Altersbilder tragen dazu bei, dass Veränderungspotenziale im Alter nicht genutzt<br />

werden und dass eine mögliche Förderung der Lebensqualität durch evidenzbasierte Therapieverfahren<br />

erst gar nicht versucht wird.<br />

321

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!