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6. Altenbericht

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schiedliche Bilder der Generationen oder von Jüngeren und Älteren – sie tangieren jedoch<br />

nicht die Achse der Identität der glaubenden Person. Insofern ist der christliche Glaube<br />

prinzipiell altersindifferent. In dieser Hinsicht kann auch die Erfahrung einer steigenden<br />

Lebenserwartung und des „aufgeschobenen Todes“ verarbeitet werden.<br />

Das gesamte Leben kann so als „Geschenk Gottes“ begriffen werden, über das die Menschen<br />

prinzipiell nicht verfügen können und das gerade deswegen als besonders kostbar<br />

gelten kann. Dieser Grundcharakter einer positiven existentiellen Abhängigkeit des Geschöpfs<br />

vom Schöpfer wird in der Struktur des Älterwerdens besonders deutlich – und<br />

dann auch besonders „aufdringlich“ (Rentsch 1992). Menschliches Leben ist in dieser<br />

Sicht nicht aus sich selbst begründet, sondern als Gabe und Aufgabe anzunehmen. In<br />

seiner Gottesebenbildlichkeit ist ihm Sinn eingestiftet. Es ist auf ein transzendentes Gegenüber<br />

angewiesen, das das Dasein begründet, dem Leben jenseits aller Leistungsfähigkeit<br />

Würde verleiht, mit Schuld leben lässt und Vergebung ermöglicht. In dieser Perspektive<br />

hat der ältere Mensch in den religiösen Traditionen des Christentums (aber nicht<br />

viel anders auch in anderen Religionen) immer einen besonderen Platz gehabt. Ein langes<br />

Leben kann in der Perspektive der biblischen Tradition als ein besonders erfülltes und<br />

von Gott gesegnetes Leben erfahren werden, wenn es auch – in der Logik und Tradition<br />

vor allem des Alten Testaments – in der Regel ein Leben ist, das mit Arbeit und Mühe<br />

angefüllt gewesen ist. Ein hohes, gutes Alter kann dann als Gnade Gottes begriffen werden,<br />

ohne dass dadurch gegenläufige Erfahrungen abgewertet werden müssten. Sie werden<br />

in ihrer Radikalität gerade in der biblischen Überlieferung nicht ausgespart: „Denke an<br />

deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugend, bevor die bösen Tage kommen und sich<br />

die Jahre einstellen, von denen du sagst: Keine Freude habe ich daran“ (Kohelet 12:1-8).<br />

Gerade solche Einsichten in die Radikalität der Alterserfahrung münden dann in ihre Annahme<br />

im Sinne von Altersweisheit. Größen- und Grenzerfahrungen des Menschen können<br />

in der Beziehung zum Schöpfer aufgehoben geglaubt werden.<br />

Mit Karl Rahner lässt sich zudem die Tatsache, dass im Alter der größte Teil des Lebens<br />

vorüber ist, positiv als Chance des Menschen verstehen, sich seines gesamten Lebens<br />

bewusst werden zu können. Angesichts der Endgültigkeit eines Lebens würde so das<br />

Leben nicht final „hinter sich“ sondern dezidiert „vor uns“ gebracht. Die eigene Lebensgeschichte<br />

gerät umfassend in den Blick des Menschen; sie sei nicht mehr zu „bewältigen“.<br />

Aber sie könne geistlich gestaltet und vielleicht „vollendet“ werden. Das Leben, wie es der<br />

Mensch bis ins Alter gelebt hat, ist in dieser Sichtweise noch nicht fertig und kann unter<br />

Umständen sehr radikal geändert und verbessert werden. Dies geschieht, indem der alte<br />

Mensch ein besseres Verständnis des eigenen Lebens erwirbt und das, was in seinem<br />

Leben schief gelaufen ist, noch einmal mit dem vergebenden Gott zusammen verzeihend<br />

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