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6. Altenbericht

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ihre weite Verbreitung sorgten. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sehr dieser Wandel<br />

verschiedenster Lebensbereiche neue Altersbilder schuf und bestehende ummodellierte.<br />

3.1.2 Altersbilder seit dem frühen 20. Jahrhundert<br />

Prägnante Veränderungen gingen zunächst von der Sportbewegung aus, welche die kulturellen<br />

Körpercodes radikal umschrieb und ein neues Körperbild zum Ideal erhob, das in<br />

scharfem Kontrast stand zu den Körperformen und Fähigkeiten der alten Menschen. Die<br />

mit der Sportbewegung verbundenen neuen Körpernormen haben das Alter zusätzlich in<br />

einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Schon vor dem 20. Jahrhundert war der<br />

menschliche Körper in zunehmendem Maße zum Forschungsobjekt von Naturwissenschaftlern,<br />

Medizinern und Hygienikern geworden, die alle seine Funktionstüchtigkeit und<br />

Leistungsfähigkeit überwachen und verbessern wollten. Spätestens seit den Tagen der<br />

Lebensreformbewegung um die Jahrhundertwende hatten viele Experten den Körper des<br />

Menschen fest im Griff und begannen, ihn systematisch zu kontrollieren, zu bearbeiten<br />

und umzuformen. Sie sahen sich in ihrem Tun bestärkt durch die gleichzeitig entstandene<br />

Jugendbewegung, welche die Erneuerung der Gesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben<br />

hatte, indem sie die junge Generation zu einer selbstverantwortlichen und körperbetonten<br />

Lebensführung ermunterte. Berauscht von einem ästhetisierenden Jugendmythos beschworen<br />

seine Propagandisten eine bessere Zukunft. 1896 und 1897 veröffentlichte der<br />

Münchener Verleger Georg Hirth auf den Titelseiten der von ihm neu herausgegebenen<br />

Zeitschrift „Jugend“, die dem Jugendstil seinen Namen gab, zwei Zeichnungen, welche<br />

diese Abwertung des Alters und die Aufwertung der Jugend zum Thema hatten. Auf der<br />

einen packen zwei junge Frauen einen alten Mann am Arm und schaffen ihn als Leichtgewicht<br />

mühelos hinweg. Auf der anderen folgt eine endlose Schlange alter Männer und<br />

Frauen einer Flöte spielenden jungen Frau, ebenso wie die Ratten und Mäuse von Hameln<br />

blindlings dem dortigen Rattenfänger in den Fluss und damit in den Untergang gefolgt<br />

waren (Borscheid 1992). Wenige Jahre später zeichnete Hirth in der „Jugend“ unmissverständlich<br />

das neue Leitbild des 20. Jahrhunderts: „Wir lernen nie aus, jedoch noch<br />

wichtiger als das schulmeisterliche Lernen ist auch für die Aeltesten die unablässige Pflege<br />

des Willens zur Jugend […]“ (Hirth 1903: 253). Jugend- und Lebensreformbewegung<br />

trugen wesentlich bei zu einer gewandelten Einstellung zum menschlichen Körper, die<br />

verbunden war mit einem neuen Körperbild.<br />

Während des allgemeinen Modernisierungsschubs nach dem Ersten Weltkrieg verbreiteten<br />

zudem Publizisten in Romanen, Essays, populärphilosophischen Abhandlungen und<br />

Sporttexten zukunftsweisende Konzepte, die sich in erster Linie an der USamerikanischen<br />

Industriegesellschaft mit Taylorismus, Fordismus und Massenkonsum<br />

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