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6. Altenbericht

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9.2.7 Altersbilder im aktuellen Diskurs um Prioritätensetzung und<br />

Rationierung<br />

Begrenzte Ressourcen erfordern eine angemessene Ausschöpfung von Rationalisierungsreserven<br />

sowie eine Prioritätensetzung. Eine fehlende öffentliche Verständigung<br />

darüber führt zu impliziten oder verdeckten, oft für alle Beteiligten belastenden Rationierungen.<br />

Rationierung ist immer ökonomisch determiniert, Altersbilder können jedoch ihre<br />

implizite und explizite Umsetzung mitbestimmen. Studien zur Rationierung gesundheitlicher<br />

Versorgungsleistungen in Deutschland geben keinen Hinweis darauf, dass umstandslos<br />

von einer Diskriminierung des Alters gesprochen werden kann. Sie geben vielmehr<br />

Anlass zu einer differenzierten Bewertung. So gilt das Alter bei schwierigen Behandlungsentscheidungen<br />

nicht als ein pauschales Kriterium, sondern fließt neben weiteren<br />

medizinisch und pflegerisch relevanten Merkmalen der Person kontextuell in die Urteilsbildung<br />

ein.<br />

Die Divergenz zwischen sozialstaatlicher Absicherung, zunehmender Leistungsausweitung<br />

und deren Finanzierbarkeit führt zu einer sich verschärfenden Mittelknappheit, die<br />

nach Meinung vieler eine Finanzierung aller Leistungen für alle gesetzlich Versicherten<br />

nicht mehr zulässt und eine Prioritätensetzung erfordert. Bereits 1991 wies der Sachverständigenrat<br />

für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen darauf hin, dass mit dem<br />

Auftreten von Kapazitätsengpässen immer häufiger eine Allokation von Ressourcen für<br />

eine Person auf Kosten einer anderen Person wird erfolgen müssen. In der Versorgungspraxis<br />

selbst folgt die Verteilung von Leistungen keinen explizit definierten Verteilungskriterien<br />

oder anderen konsistenten Mustern. Vielmehr sind individualisierte Formen der Rationierung<br />

zu beobachten, was einerseits zu großen Unsicherheiten und Belastungen aufseiten<br />

der Professionellen führt und andererseits das Verhältnis zu den Patienten und<br />

Patientinnen beeinträchtigt (Feuerstein und Kuhlmann 1998; Elpern und Covert 2005;<br />

Meltzer und Huckabay 2004). Kuhlmann (1998) konstatierte bereits vor über zehn Jahren<br />

in der Ärzteschaft eine schleichende Neudefinition des Kriteriums „medizinische Notwendigkeit“<br />

und eine zunehmende Gewöhnung an Rationierungspraktiken. Eine breitere öffentliche<br />

Debatte wurde allerdings erst 2008 mit dem so genannten Ulmer Papier forciert,<br />

in dem die Bundesärztekammer darauf hinweist, dass Rationierung gegenwärtig bereits<br />

stattfindet und durch Rationalisierung allein nicht zu verhindern sei.<br />

Wurden Rationierung, Rationalisierung und Ressourcenallokation bereits in den vergangenen<br />

Jahrzehnten in den angelsächsischen Ländern thematisiert, werden diese Themen<br />

in jüngster Zeit auch in einschlägigen deutschsprachigen Zeitschriften für die medizinische<br />

und pflegerische Versorgung erörtert. Dabei spielt das Abgrenzungskriterium Alter<br />

naturgemäß eine zunehmend bedeutsame Rolle, allerdings wird die altersabhängige Be-<br />

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