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6. Altenbericht

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tungen ebenso wie plural wuchernde Diskurse. Dadurch, dass Inhalte und Identitäten<br />

stets zur Disposition stehen, ist bis ins hohe Alter die Möglichkeit gegeben, Standpunkte<br />

zu revidieren, zu reformulieren, zu diskutieren, zu differenzieren. Indem das Optionalitätsprinzip<br />

sich konkreten Inhalten gegenüber ignorant beziehungsweise neutral verhält,<br />

bleibt die Herausbildung, Aushandlung und Ausgestaltung auch von Altersbildern den<br />

konkurrierenden Interessengruppen und Individuen überlassen.<br />

Die Altersbilder einer Gesellschaft erweisen sich gleichsam als bewegliche Plastiken, als<br />

ein in ständiger Umformung begriffenes Gebilde widerstreitender und zusammenwirkender<br />

Potenziale, Positionen und Praktiken. Es handelt sich um ein mehrdimensionales Feld<br />

oder Ensemble „ungleichgewichtiger, heterogener, instabiler, gespannter Kräfteverhältnisse“<br />

(Foucault 1983: 115). Und darin wird kulturelle Plastizität als kulturelle Hegemonie<br />

erfahrbar. Welche Alternativen sich herausbilden und durchsetzen, welche davon das<br />

Altersbild einer Gesellschaft dominieren, das lässt sich nur mehr „im Sinne von Kräfteverhältnissen<br />

begreifen“ (Foucault 1978: 40). Altersbilder zu verändern – das heißt demnach,<br />

zunächst die Hegemoniefrage aufzuwerfen: Wer entwirft und will welches Altersbild aus<br />

welchen Interessen? „Wer führt den Alters-Diskurs? Welche Kräfte sind es, die den Begriff<br />

‚Alter’ schaffen und brauchen?“ (Barthes 2007: 434). Wer hat diesen Begriff nötig? Oder<br />

dient er per se der Diskriminierung und Exklusion einer ganzen Bevölkerungsgruppe?<br />

Bedeutet das Ansprechen seines Alters immer schon, einen Gesprächspartner nicht ernst<br />

zu nehmen (Saake 2006: 21)?<br />

Altersbilder zu verändern, das heißt dann auch, sich neue Politisierungsmodelle auszudenken<br />

und zu verwirklichen (Foucault 1978). Inhaltlich geht es darum, vor allem das „lokale<br />

Wissen“ (hier: die kleinen Erzählungen) über das Altern gegen die großen Erzählungen<br />

auszuspielen, etwa gegen diejenigen von der Altenlast und der demografischen Blockade.<br />

Dem entspricht eine „bottom-up-Politik“, die an konkreten, unmittelbaren, alltäglichen<br />

Problemen ansetzt. Punktuell Alternativen aufzuzeigen, nuancierte Veränderungen<br />

vorzunehmen, kleine Kritiken anzubringen – das kann zur Aufspaltung, zur Differenzierung<br />

und damit zur gegenseitigen Hemmung und Entkräftung hegemonialer Altersbilder<br />

führen. Optionalität und damit die Formel vom differenziellen Altern beim Wort zu nehmen,<br />

das bedeutet, gewissermaßen anders zu altern: Alters-Dissident zu sein, jeder in<br />

seinem Bereich beginnend, auf „kleine Weise“. Auf diesem Wege mag es möglich sein,<br />

inmitten der mächtigen Rede und den Standardanforderungen des multioptionalen, produktiven,<br />

erfolgreichen Alterns auf etwas hinauszukommen, das sich dem Normalfall, den<br />

üblichen Erwartungen, den zentralen Berechnungen und großen Erfolgsgeschichten entzöge.<br />

Und sei es, dass das Alter gar nicht mehr zum Thema würde.<br />

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