20.07.2013 Aufrufe

6. Altenbericht

6. Altenbericht

6. Altenbericht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

So wichtig die aufklärerische Tradition der Alternswissenschaften ist, so war sie dennoch<br />

bislang wenig erfolgreich in dem Bemühen, alle aus wissenschaftlicher Sicht irrtümlichen,<br />

verzerrenden oder auch verklärenden Annahmen über das Alter auszuräumen. Wahrscheinlich<br />

ist dies auch kaum zu erwarten, denn in vielen Lebensbereichen gibt es alltägliche<br />

Annahmen, Vorstellungen, Überzeugungen und Wissensbestände, die sich mal<br />

mehr und mal weniger mit wissenschaftlichen Befunden decken (Amrhein und Backes<br />

2007). Daher ist es sinnvoll und notwendig, Altersbilder auch aus einer Perspektive zu<br />

analysieren, die weniger ihre empirische Richtigkeit thematisiert als vielmehr ihre sozialen<br />

Funktionen und Wirkungen.<br />

Bei einer solchen Herangehensweise werden Altersbilder weniger als zutreffende oder<br />

unzutreffende, verzerrende (und in diesem Fall zu korrigierende) Spiegelungen der Lebensumstände<br />

älterer Menschen aufgefasst, sondern als eigenständige soziale Denkmuster,<br />

mit denen biologische Alterungsprozesse für das soziale Leben überhaupt erst relevant<br />

werden. Dahinter steht die Annahme, dass das biologische Altern und seine physiologischen<br />

Veränderungen nicht von sich aus eine bestimmte soziale Bedeutung haben,<br />

sondern dass diesen Prozessen eine Bedeutung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung<br />

mit dem Älterwerden und dem Alter erst verliehen wird (siehe Kapitel 3 in diesem<br />

Bericht). Sowohl Individuen als auch Kollektive deuten also mittels Altersbildern soziale<br />

Realität, nehmen Bewertungen vor, bilden Erwartungen und gestalten Interaktionen. Auf<br />

diese Weise haben Altersbilder eine Orientierungs- und Ordnungsfunktion; sie sind ein<br />

wichtiges Element zur Strukturierung sozialer Beziehungen. Zum Beispiel wird auf gesamtgesellschaftlicher<br />

Ebene über Altersbilder die „soziale Ordnung der Generationenfolge“<br />

(Göckenjan 2009) ausgehandelt. Im Hinblick auf alltägliche Interaktionen haben Altersbilder<br />

eine entlastende Funktion: Sie geben spontan abrufbare, eingeübte Verhaltensmuster<br />

für bestimmte Alltagssituationen vor, sodass angemessenes Verhalten nicht<br />

ständig neu ausprobiert werden muss.<br />

Aus diesem sozialkonstruktivistischen Verständnis von Altersbildern folgt zweierlei:<br />

(1) Altersbilder sind nicht als getreues Abbild von Alterungsprozessen und der Lebensbedingungen<br />

und Lebenslagen älterer Menschen angelegt – auch wenn sie zu ihrer Legitimation<br />

die Behauptung beinhalten, sie seien es. Vielmehr können Altersbilder ihre ordnungsstiftende<br />

Funktion nur als vereinfachende, typisierende und generalisierende Bilder<br />

ausfüllen. Altersbilder müssen zwangsläufig weniger differenziert sein als die wissenschaftlich<br />

beschreibbaren empirischen Lebensumstände älterer Menschen. Altersbilder<br />

als einseitig oder ungenau zu kritisieren, geht deshalb an ihrem Wesen vorbei: „Altersbilder<br />

sind einer Perspektive verpflichtet, der man nicht Unvollständigkeit vorwerfen kann,<br />

50

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!