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6. Altenbericht

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des Alterns nicht einmal wiedererkannt und ausgedrückt, geschweige denn durchdacht,<br />

geordnet und bearbeitet werden. Bezeichnungen, Bilder, Begriffe sind die Bedingung,<br />

bilden die kulturelle Matrix, aufgrund derer Alter überhaupt erst in Erscheinung tritt und<br />

namhaft wird (Butler 1997). Was das Alter an sich ist, das muss eine offene Frage bleiben,<br />

eine Frage, die ins Offene der Geschichte und der Kulturen führt. Die Altersfrage<br />

lässt sich also niemals absolut, sondern immer nur so beantworten, wie Kulturen sie aus<br />

ihren je eigenen Perspektiven stellen und entwickeln. Auch bei naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen über das Alter und das Altern handelt es sich, kulturwissenschaftlich gesehen,<br />

um symbolische Ordnungen, die in ihrer Entwicklung davon abhängig sind, „dass<br />

‚Alter’ zu einer immer maßgeblicheren Beobachtungsformel wird“ (Berg 2007: 43).<br />

Altersbilder sind wandelbare (kognitive) Schemata, im kollektiven Gedächtnis gespeicherte,<br />

sprachliche und bildliche Integrations- und Orientierungsleistungen. Sie bündeln Aufmerksamkeiten<br />

und lenken diese in bestimmte Richtungen. Sie ermöglichen identische<br />

Wahrnehmungen, kontinuierliche Erinnerungen, gleichbleibende Bedeutungen und Interpretationen.<br />

Und sie geben Varianten des Handelns vor. Durch Altersbilder wird eine verbindliche<br />

Verständigung über das Alter möglich, werden Standards des Handelns festgelegt.<br />

Und zugleich werden die jeweiligen Schemata selbst immer wieder bestätigt und<br />

verstetigt.<br />

Kulturelle Plastizität und Weltoffenheit bedeuten einerseits, dass es auch in Fragen des<br />

Alters nichts gibt, was es nicht gäbe (Gehlen 1956: 23). Dieses Diktum läuft andererseits<br />

aber keineswegs auf ein „anything goes“ hinaus; denn was sich im Vergleich vieler Kulturen<br />

als unabsehbare Vielfalt und Variantenfülle darstellt, erweist sich in jeder einzelnen<br />

Kultur durchaus als Ergebnis von Eingrenzungen und Ausgrenzungen. Darin besteht die<br />

Integrationsleistung von Altersbildern: Sie selektieren und reduzieren eine irritierende<br />

Komplexität möglicher Sicht- und Verhaltensweisen, sodass dauerhaft verbindliche Kulturformen<br />

entstehen. Diese machen soziales Altern erst möglich, indem sie geregelte und<br />

stabile, sichere und verlässliche Alternsmuster bereitstellen und durchsetzen. Auf diese<br />

Weise werden bestimmte Menschen überhaupt erst als ältere Menschen identifizierbar<br />

und als solche klassifiziert und dauerhaft inkludiert, allerdings zu kulturspezifischen Bedingungen,<br />

und das können unter Umständen durchaus harte Bedingungen sein.<br />

Altersbilder sind Vor-Urteile in dem Sinne, dass sie vorgängige Befunde und Einschätzungen<br />

über Situationen und Konstellationen des Alters darstellen. Sie stehen ihren Akteuren<br />

und Interpreten nicht zu freier Verfügung, sondern sie geben (relativ) feste Sichtund<br />

Verhaltensweisen vor (Gadamer 1960; Gehlen 1986). Auf diese Weise gestalten Altersbilder<br />

biologische Leerstellen und Spielräume aus (Kompensationsfunktion) und sorgen<br />

dafür, Verunsicherungen und Überforderungen im Umgang mit dem Alter zu vermei-<br />

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