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6. Altenbericht

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3.1 Historische Perspektiven auf Altersbilder<br />

In diesem Abschnitt wird nachgezeichnet, wie im frühen 20. Jahrhundert die Sport- und<br />

Jugendbewegung ein neues Körperbild zum Ideal erhoben hat, das in scharfem Kontrast<br />

zu den Körperformen und Fähigkeiten der Älteren stand. Es wird gezeigt, auf welchen<br />

Wegen dieses Körperideal Verbreitung fand, wie es die Einstellung von Normalbürgern<br />

und -bürgerinnen und von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zum Alter veränderte,<br />

welche Folgen die daraus hervorgegangenen wissenschaftlichen Studien auf die<br />

Einschätzung der Leistungskraft älterer Arbeiter und Arbeiterinnen hatten und wie sich –<br />

befördert durch dieses negative Altersbild – die Entberuflichung des Alters entwickelt hat.<br />

3.1.1 Alter und Altersbilder in der Geschichte<br />

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren es zumeist die durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />

geformten Körperbilder, die den verschiedenen Stereotypen vom Alter ihre<br />

Grundgestalt gaben. Speziell die Arbeits- und Wohnverhältnisse der von Handarbeit lebenden<br />

Männer und Frauen prägten bereits in den mittleren Lebensjahren den menschlichen<br />

Körper und präsentierten das Alter als Krankheit, Verfall und unmittelbar bevorstehendes<br />

Ende. Aufgrund unterentwickelter oder fehlender technischer Hilfsmittel fielen die<br />

körperlichen Belastungen im Arbeits- und Alltagsleben im Vergleich zu heute weitaus höher<br />

aus, brauchten die Kräfte der Menschen frühzeitig auf und überforderten oftmals das<br />

Leistungsvermögen der Älteren. Die harten Arbeits- und Lebensbedingungen stigmatisierten<br />

das Alter als eine Lebensphase, als deren markantestes Merkmal ein rapider körperlicher<br />

Leistungsabfall oder gar Invalidität galt und die im Krankheitsfall mit dem baldigen<br />

Tod endete. In Not- und Kriegszeiten häuften sich in extremer Weise die Klagen, die im<br />

Alter eine einzige Krankheit sahen, verstärkt durch einen tagtäglich sichtbaren Niedergang<br />

und Hilflosigkeit.<br />

Während jedoch in der Agrargesellschaft die relativ geringe Entwicklungsgeschwindigkeit<br />

der Wirtschaft das Erfahrungswissen begünstigte und damit den Potenzialen der Älteren<br />

entgegenkam, lief die Industrialisierung mit ihrer schöpferischen Zerstörung von Althergebrachtem<br />

den Möglichkeiten der Älteren mehr und mehr zuwider. Die vorindustrielle Gesellschaft<br />

hatte noch das Bild vom alten Bauern und Handwerker als einem Wissensspeicher<br />

gepflegt, dessen lange berufliche Erfahrung in der wenig dynamischen und von der<br />

Zunftverfassung gefesselten Wirtschaft überall gefragt war und auf dessen Wissen selbst<br />

die Enkelgeneration mit Erfolg zurückgreifen konnte. In der nach Fortschritt und Innovation<br />

strebenden Industriegesellschaft verlor jedoch dieses Beharren auf Vätersitte und Gewohnheit<br />

zunehmend an Wert. Die Dynamik des Industriezeitalters stempelte die Älteren<br />

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