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6. Altenbericht

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den (Entlastungsfunktion). Altersbilder sind darauf angelegt, einen beliebigen, willkürlichen,<br />

fallweisen beziehungsweise zufälligen, spontanen, chaotischen Umgang mit dem<br />

Alter auszuschließen und geordnete Verhältnisse zu schaffen und zu erhalten, was allerdings<br />

sozusagen geregelte Repressionen und Diskriminierungen einschließt. Denn stets<br />

wird ein bestimmter Kreis von Wahrnehmungs- und Verhaltensmöglichkeiten eingegrenzt,<br />

verbindlich interpretiert und gleichbleibend realisiert. Es handelt sich um Institutionen, die<br />

Ein- und Unterordnung verlangen, um machtförmige, zwingende Muster, Schemata,<br />

Schablonen.<br />

Altersbilder limitieren und typisieren das, was sie einbeziehen. Das ist die Voraussetzung<br />

dafür, dass die Ordnung und Integration, die sie gewährleisten, stabil bleibt und kollektiv<br />

gilt. Es handelt sich um „stereotype Modelle von Verhaltensfiguren“ (Gehlen 1986: 70),<br />

unabhängig davon, ob Altersbilder im Einzelnen für positiv oder negativ, wahr oder falsch,<br />

gut oder schlecht erachtet werden. Altersbilder verselbstständigen sich zu Beobachtungsund<br />

Verhaltensformeln. Als solche besetzen sie nicht nur das Bewusstsein, sondern sozusagen<br />

den ganzen Menschen. Altersbilder „greifen bis in unsere Wertgefühle und Willensentschlüsse<br />

durch“ und prägen unser Gefühlsleben (Gehlen 1986: 71). Sie bringen<br />

„habitualisiertes Handeln“ hervor, „schematische Gesten“ bis hin zum gesamten „Körperschema“<br />

des Alters in einer Kultur (Gehlen 1950). Altersbilder erzeugen und repräsentieren<br />

den jeweils kulturspezifischen Altershabitus und seine Facetten im Sinne verinnerlichter<br />

(inkorporierter) Haltungen, Körper- und Lebensstile, Geschmacksvorlieben, Schemata<br />

des Wahrnehmens, Fühlens, Denkens und Handelns (Bourdieu 1987). Und Altersbilder<br />

wirken als eine Macht, die die individuellen Körper durchdringt und durchformt (Foucault<br />

1978; Schroeter 2008).<br />

Welche physiologischen Veränderungen beim natürlichen Alterungsprozess auch immer<br />

auftreten mögen – das alles würde nichts bedeuten, es bliebe ein unübersichtliches, unerkanntes<br />

und irrelevantes Geschehen, wenn es nicht als „Sinn und Wert des Alters bestimmt“<br />

und geordnet würde (de Beauvoir 1972: 74). Wobei diese Bestimmungen und<br />

Ordnungen kulturwissenschaftlich als Hervorhebung und Vernetzung von Merkmalen zu<br />

stabilen und dauerhaften Symbolen, zu einheitlichen und verlässlichen Orientierungsmustern<br />

und Wissenssystemen verstanden werden. Altersbilder eröffnen und symbolisieren<br />

Handlungsspielräume und Lebensperspektiven, und zugleich begrenzen, formieren und<br />

kontrollieren sie diese. Altersbilder sind demnach von einer fundamentalen Ambivalenz<br />

getragen: Sie wirken einschränkend und ermöglichend zugleich. Einerseits konditionieren<br />

und kontrollieren sie, andererseits konstituieren und koordinieren sie Handlungsmöglichkeiten.<br />

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