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6. Altenbericht

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sein können, dass sie nicht als alt bezeichnet oder wahrgenommen werden. Das ist beispielweise<br />

bei den !Kung im süd-afrikanischen Buschland der Fall (Keith 1994). Es gibt<br />

also Kulturen, denen es gar nicht einfällt, zwischen alt und nicht-alt zu unterscheiden. Sie<br />

brauchen keinen Begriff des Alters und keine entsprechenden Themen und Praktiken.<br />

Kulturelle Plastizität heißt folglich: Nicht einmal die Bezeichnung und die Kategorie „Alter“<br />

sind notwendig in dem Sinne, dass sie universell, überall und zu allen Zeiten auftreten<br />

würden. Gleichwohl aber ist festzustellen, dass die allermeisten Kulturen bestimmte physiologische<br />

und soziale Erscheinungen und Vorgänge als Alter oder Altern bezeichnen<br />

und entsprechende Sicht- und Verhaltensweisen, Regeln und Normen entwickelt haben.<br />

Das geschieht in geschlechts-, gruppen- und sozialspezifisch differenzierter Weise.<br />

3.2.2 Altersbilder als symbolische Ordnungen<br />

Damit ein Altersbild überhaupt entstehen kann, ist es nötig, eine Vielzahl von Anhaltspunkten<br />

(z. B. graue Haare, faltige Haut, Körperhaltung) im Zusammenhang zu sehen und<br />

auf den Nenner „Alter“ zu bringen. Solche Benennungen sind durchaus nicht von physiologischen<br />

Vorgängen erzwungen; vielmehr handelt es sich um kulturelle Leistungen, um<br />

Darstellungen und Begriffe, die mit kulturbedingten Wahrnehmungsmustern, Beobachtungsformen<br />

und Rationalisierungen zusammenhängen. Dazu gehört grundlegend, dass<br />

überhaupt zwischen alt und nicht-alt unterschieden wird und dass aufgrund dieses Codes<br />

Merkmale ausgewählt und sortiert werden.<br />

Welche physiologischen Erscheinungen, Eindrücke und Bilder werden überhaupt zum<br />

Thema gemacht und hervorgehoben? Welche einzelnen Wahrnehmungen werden systematisch<br />

als Kennzeichen oder Indikatoren bestimmt und unter der Kategorie „Alter“ zusammengefasst?<br />

Was bleibt unsichtbar, unbeobachtet, ignoriert? Und nicht zuletzt: Wie<br />

sind die markierten Alterserscheinungen zu deuten, zu bewerten, zu behandeln? Welche<br />

Interpretationsmuster kommen zur Anwendung, welches Verhalten wird erwartet? Auf<br />

diese entscheidenden Fragen gibt es keine zwingenden Antworten, keine automatischen<br />

Reaktionen, die von vornherein und als absolutes Muss feststünden. Die Antworten auf<br />

diese Fragen bestehen in der Vielfalt kulturspezifischer Vorstellungen, Einstellungen und<br />

Handlungen.<br />

Betrachtet als kultureller Code ist Alter zunächst eine Frage von Bezeichnungen, Beschreibungen<br />

und Bedeutungen, niedergelegt in Erzählungen, Bildern und Begriffen, mit<br />

denen aus unübersichtlichen biologischen Vorgängen spezifische Merkmale hervorgehoben<br />

und unter dem Namen Alter zusammengefasst, in eine kulturelle Ordnung namens<br />

Alter übersetzt werden. Dasjenige, „was die Natur aus dem Menschen macht“ (Kant),<br />

könnte ohne Sprache, Vokabulare und Narrationen, ohne eine Semantik und Symbolik<br />

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