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6. Altenbericht

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Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben in ihren Debatten eine Vielzahl von<br />

Altersbildern aktiviert und neue produziert. Während der Diskussionen über einzelne sozialpolitische<br />

Probleme, die sich bisweilen über Jahre oder Jahrzehnte hinzogen, wurden<br />

diese Bilder meist schärfer, bisweilen auch differenzierter. Sie wiesen jedoch in der Regel<br />

je nach Thema unterschiedliche Formen auf, und ihre Behandlung überschnitt sich bisweilen,<br />

sodass manchmal zeitgleich unterschiedliche Bilder in Gebrauch waren. Gleichwohl<br />

bildete die Mitte der 1990er Jahre eine markante Zäsur, als unter dem Einfluss der ersten<br />

<strong>Altenbericht</strong>e eine breite und schnelle Ausdifferenzierung der zuvor recht eindimensionalen<br />

Altersbilder erfolgte. Insgesamt verdeutlichen die Bundestagsdebatten, welche unterschiedlichen<br />

Altersbilder in der deutschen Öffentlichkeit in Gebrauch sind, wie sie entstanden,<br />

sich wandelten und mit welcher politischen Zielsetzung sie eingesetzt wurden<br />

und weiterhin eingesetzt werden.<br />

13.2.1 Das Altersbild in den Debatten der 1950er Jahre: Alter gleich Armut<br />

Bis etwa 1954 beherrschte ein extrem negatives Altersbild alle Debatten. In der unmittelbaren<br />

Nachkriegszeit ab 1945 zielten die sozialpolitischen Maßnahmen noch vorwiegend<br />

darauf ab, kriegsbedingte Notlagen zu beseitigen sowie Junge und Ältere mit Notwohnungen<br />

und Lebensmitteln zu versorgen. Seit Gründung der Bundesrepublik hatte – angesichts<br />

der Not der Sozialrentner und Sozialrentnerinnen – die zunächst noch extrem notdürftige<br />

materielle Absicherung der über 65-jährigen Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellten<br />

sowie der Witwen, Waisen und alten Heimatvertriebenen absoluten Vorrang. In<br />

diesen Jahren brachten die Abgeordneten aller Parteien in ihren Redebeiträgen das Alter<br />

fast ausnahmslos in unmittelbare Verbindung zu extremer Not, Vertreibung, Trümmern,<br />

Hunger, Krankheit, Selbstmord und Tod.<br />

Im Oktober 1950 gab der Abgeordnete Fischer (SPD) zu Protokoll: „Bei den alten Rentnern,<br />

bei den Arbeitsveteranen gibt es Stimmen, […] die sehr bezweifeln, dass der materielle<br />

Aufwand für Zuchthausinsassen und Asoziale geringer sein kann als der Aufwand,<br />

der heute in Deutschland für Invaliden der Arbeit geleistet wird. […] Ich glaube, ein Staat<br />

mit sozialem Charakter […] müsste sich auch darüber klar sein, dass wir wirklich bei den<br />

Veteranen und sonstigen Rentnern das Empfinden verhindern sollten, dass das Rentnerdasein<br />

die letzte Station ihres Lebens für sie sei“ (Verhandlungen des Deutschen Bundestages<br />

– VDB 5: 3401). Der Abgeordnete Freidhof (SPD) meinte, dass die damaligen Renten<br />

„dem Rentenempfänger in keiner Weise das Leben noch lebenswert machen, sondern<br />

dass man hier von Hungerrenten reden kann, die zum Leben zu wenig und zum Sterben<br />

zu viel sind.“ Man dürfe nicht warten, „bis eine Situation entsteht, in der der Hungerriemen<br />

bei den Rentenempfängern so weit angezogen werden muss, dass bei einem großen Teil<br />

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