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6. Altenbericht

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eurteilen darf. In Gottes Ewigkeit wird die Zeit des Menschen verwandelt werden, sodass<br />

er sie bejahen und annehmen kann. Die letztendliche Bejahung des eigenen Todes ist die<br />

höchste und letzte Tat des Lebens, „die bedingungslose Übergabe unserer ganzen Existenz<br />

an Gott und seine Unbegreiflichkeit“ (Rahner 1983: 19).<br />

Die Grundkategorien, mit denen das Alter in dieser Sichtweise begriffen wird, sind folglich<br />

durchaus von den „modernen“ Vorstellungen von Autonomie, Produktivität, gelingendem<br />

Leben und Identität unterschieden, indem Erfahrungen von leiblicher Endlichkeit, von Verletzlichkeit<br />

und Fragilität des Lebens in den Vordergrund gerückt werden. Diese lassen<br />

sich im Begriff der umfassenden „Angewiesenheit“ von Menschen (Rieger 2008) verdichten.<br />

Menschen leben demgemäß immer schon in Verhältnissen der Abhängigkeit und<br />

realisieren ihre Freiheit in der Gestaltung dieser Bezüge, also nicht jenseits davon oder<br />

gar gegen sie. So leben sie „als Geschöpfe“. Sie sind als Einzelne immer inkomplett – das<br />

Leben bleibt Fragment. Der Begriff für diese strukturellen Bezüge ist geistlich der der Gemeinschaft.<br />

Menschen, gleich welchen Alters, sind auf Gemeinschaften angewiesen, in<br />

denen sie leben. Sie haben eine Würde in sich selbst, einen Eigenwert, und sind nie nur<br />

funktional für andere Systemzwecke zu verstehen. In dieser Perspektive findet sich überall<br />

in den Texten der Bibel und der christlichen Tradition, aber auch in den Texten anderer<br />

Religionen, eine markante Hochschätzung und Würdigung des Alters.<br />

Es geht dabei nicht um ein schicksalhaftes oder gar passives Hinnehmen dessen, was<br />

geschieht, sondern um Handeln als Antworten, um „kreative Passivität“, um eine Selbstbestimmung,<br />

die aus der Erfahrung des Sich-Bestimmen-Lassens herkommt, um eine<br />

„nichtproduktive Produktivität, die auch das Sterbenkönnen nicht ausblenden muss“ (Rieger<br />

2008: 78). Diese Haltung führt zu einer prinzipiellen Anerkennung des Alters als einer<br />

Zeit des Lebens mit zunehmend eingeschränkten Ressourcen, in der die Imperative des<br />

gelingenden Lebens zerstörerisch werden können und deshalb anders interpretiert werden<br />

müssen. Menschen dürfen in dieser Perspektive älter und abhängiger werden – und<br />

auch sterben. Und sie dürfen die Hilfe anderer ohne Verlust an eigener Würde in Anspruch<br />

nehmen. Die Aufgabe besteht dann in einer möglichst selbstverantwortlichen Gestaltung<br />

des Alters, die die Beschränkungen nicht nur nicht negiert, sondern möglichst bewusst<br />

integriert. Deutlich wird, dass die christlich-biblische Tradition nicht einfach zur Aufwertung<br />

der Potenziale des Alters – oder gar eines Anti-Agings – genutzt werden kann,<br />

sondern in dieser Hinsicht durchaus sperrige Aspekte aufweist: Ein Neuwerden im Alter<br />

kann nicht als Jungwerden stattfinden, wie es bisweilen suggeriert wird. Es gilt sogar: „Je<br />

älter der Mensch wird, umso größer wird seine Schuld, anderen Menschen gegenüber<br />

nicht genügend Liebe aufgebracht zu haben“ (Legatis 1984: 531).<br />

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