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6. Altenbericht

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Aus diesen religiösen Grundsätzen leiten sich praktische Konsequenzen im Hinblick auf<br />

das Alter ab, die nicht nur für gläubige Muslime und Musliminnen maßgeblich, sondern<br />

auch für weltlich orientierte türkische Migranten und Migrantinnen von Bedeutung sind.<br />

Umfragen unter diesen Bevölkerungsgruppen in Deutschland bestätigen das hohe Ansehen<br />

und die Autorität, die das Alter genießt. Diese Autorität wird mit der Erfahrung, dem<br />

Wissen und der Weisheit des Alters begründet und mit seiner Befähigung, Rat zu erteilen<br />

und Autorität („Hirte“) zu sein. Dieses Ideal der Altersweisheit dient wiederum dazu, die<br />

ausschlaggebende Rolle der Älteren – und das heißt in erster Linie der älteren Männer –<br />

in allen familiären und religiösen Angelegenheiten zu rechtfertigen. In diesem Respekt vor<br />

dem Alter besteht übrigens auch ein zentraler Aspekt jener merklichen Skepsis, die von<br />

islamischer Seite der westlichen Moderne eben auch deswegen entgegen gebracht wird,<br />

weil diese die Stellung und Autorität des Alters nicht gebührend würdige oder sogar abwerte.<br />

Ältere Muslime und Musliminnen sind kaum dem Körper- und Jugendkult ausgesetzt, wie<br />

er derzeit in westlichen Kulturen vorherrscht. Umfragen in Deutschland zeigen, dass körperliche<br />

Freizeitaktivitäten (etwa Fitness- und Wellness-Trends) unter älteren türkischen<br />

Migranten und Migrantinnen so gut wie keine Rolle spielen. Die Älteren fühlen sich in der<br />

Regel nicht genötigt, ihre körperlichen Veränderungen aufzuhalten oder zu verbergen.<br />

Vielmehr wird das Alter gerade auch wegen seiner eigenen körperlichen Merkmale anerkannt<br />

und geehrt. Das markante Äußere, überhaupt der gesamte Körperhabitus des alternden<br />

Menschen symbolisieren Ehrwürdigkeit. Jedoch herrscht auch in dieser Beziehung<br />

der „double standard of aging“ vor. Körperliche Alterungsprozesse von Frauen sind<br />

– anders als diejenigen von Männern – deutlich negativ konnotiert, wenngleich nicht verbunden<br />

mit Anforderungen etwa des Anti-Aging.<br />

Darüber hinaus kann der Islam geradezu als „eine körperliche Religion“ bezeichnet werden<br />

(Weintritt 2008). Es gilt das „schöne Beispiel“ des Propheten: ein „vollkommener“<br />

Körper als Voraussetzung für ein erfülltes Leben im Diesseits und für das Heil im Jenseits.<br />

Um dieses Heils wegen haben Muslime und Musliminnen bis ins hohe Alter zahlreiche<br />

und detaillierte Körperregularien zu befolgen: Gebote der Reinheit, der körperlichen Unversehrtheit,<br />

der Verhüllung und des Ritus. Diese Vorschriften widersetzen sich säkularen<br />

Körpermodellen, zumindest begrenzen sie deren Einfluss, insbesondere denjenigen des<br />

westlichen Jugendkults.<br />

Als erster und stärkster Garant für ein sicheres, zufriedenstellendes und gelingendes Leben<br />

beider Geschlechter im hohen Alter wird in islamischen Stellungnahmen durchweg<br />

die Familie genannt. Ihr kommt die Schlüsselstellung auch im Altersbild türkischer Migranten<br />

und Migrantinnen in Deutschland zu. Die Familie gilt als idealer Ort der Unterstützung<br />

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