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6. Altenbericht

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schen oder gesundheitspolitischen Bereichen stammen. Diese taxieren, generalisieren,<br />

nehmen distanzierte Abschätzungen und statistische Kalkulationen vor. Das legt lebensweltlich<br />

den Verdacht nahe, dass bei solchen und infolge solcher Operationen Menschen<br />

weniger als Menschen denn als Größen, Faktoren, Massen behandelt werden. Persönliche<br />

Beziehungen dagegen individualisieren. Sie formulieren eigene Erfahrungen aus dem<br />

alltäglichen Umgang mit einzelnen Menschen.<br />

Die interaktive Situation ist es, die einerseits eigensinnige Altersbilder hervorbringt, andererseits<br />

jenen Ort bildet, an dem Altersbilder aus unterschiedlichen Bereichen aufeinander<br />

treffen, in Konflikt stehen, verhandelt werden und sich pragmatisch bewähren müssen.<br />

Wobei kommunikative Situationen sich durch größere Offenheit auszeichnen als „leistungs-<br />

und kompetenzthematische Situationen“, beispielsweise an der Supermarktkasse,<br />

am Geldautomaten, in der Bahn. Dort kommen Altersstigmatisierungen häufiger vor (Filipp<br />

und Mayer 1999). Aber auch solche Situationen bleiben kommunikativ eingebettet<br />

und revidierbar. Schon nach kurzer Unterhaltung kann eine vorgängige Stigmatisierung<br />

„ihre prominente Stellung einbüßen und ersetzt werden durch ein altersloses Interesse“<br />

an der Person (Saake 2006: 167). Was also Altersbilder wirklich taugen, das zeigt sich<br />

erst und nicht selten von selbst in „face-to-face-Beziehungen“, in Anlehnung an Schroeter<br />

(2008) sozusagen im „doing age on a local stage“.<br />

Die wichtigste Voraussetzung für eine offene, auf das Individuum bezogene Kommunikation<br />

ist darin zu sehen, den binären Generalcode zu überwinden, wonach sich Altern entweder<br />

defizitär oder produktiv darstellt. Paradoxerweise müsste das Alter gerade in öffentlichen<br />

Altersdebatten und insbesondere von den Alters- und Alternswissenschaften kategorisch<br />

dethematisiert werden. Denn die Beobachtungsformel „Alter“ kann selbst zu einem<br />

„Faktor der Altersdiskriminierung“ werden. „Wer nur nach Alter fragt, kann nicht sehen,<br />

wie wenig die meisten Kommunikationen im Leben eines alten Menschen mit dem<br />

Thema ‚Alter’ zu tun haben“ (Saake 2006: 260 und 270). Solches Offenhalten und<br />

Dethematisieren von Alter entspräche wiederum den Bedürfnissen und Vorstellungen<br />

älterer Menschen selbst, nämlich der Tatsache, dass ältere Menschen in der Regel nicht<br />

als „alt“ angesprochen werden möchten (Saake 2006). Solches Dethematisieren entspräche<br />

lebensweltlichen Vorbehalten gegen Alterszuschreibungen von außen wie gegen die<br />

Selbstkategorisierung als “alt“: „Aber, wie man sich fühlt, das ist eigentlich ganz was Anderes“<br />

(Frau Orkusi, 83 Jahre, in: Raasch 2005: 20). Solches Dethematisieren entspräche<br />

auch einem kommunikativ-praktischen Umgang der Generationen miteinander: Bei meiner<br />

Freundin „weiß ich, dass sie mich so mag, wie ich bin. Da muss ich mich nicht verstellen“<br />

(Frau Runge, 40 Jahre, über Frau Dietz, 86 Jahre, in: Bartel 2005: 41). Und solches<br />

Dethematisieren entspräche nicht zuletzt einer alltäglichen Ironie des Schicksals, wie sie<br />

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