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6. Altenbericht

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kulturelle Wandel- und Gestaltbarkeit menschlichen Lebens hat Arnold Gehlen (1956) als<br />

„Weltoffenheit“ bezeichnet. Schon die Lebensdauer eines Menschen, sein gesundheitlicher,<br />

physischer und psychischer Zustand ist von den kulturellen, sozialen und ökonomischen<br />

Bedingungen abhängig, unter denen er lebt (Dinges 2008). Das natürliche Altern<br />

geht also nicht unbeeindruckt von kulturellen Umständen vor sich.<br />

Zu solchen für das Alter relevanten kulturellen Umständen gehören zunächst die verschiedenen<br />

Religionen. Religiöse Vorstellungen sind von grundlegendem Einfluss auf<br />

Altersbilder und Umgangsweisen mit älteren Menschen. Den großen Religionen ist gemeinsam,<br />

dass sie Ansehen und Status des Alters hoch veranschlagen. Der Konfuzianismus<br />

zum Beispiel bewertet seit 2.500 Jahren das Alter äußerst positiv. Nach dieser<br />

Tradition wird aus einem Menschen erst mit dem Alter ein Kulturwesen, dem aufgrund<br />

seines Wissens und seiner Weisheit mit Ehrfurcht zu begegnen ist. Bis heute gilt in China<br />

das Gebot der „Kindespietät“, die Pflicht zu Folgsamkeit und Fürsorge (insbesondere der<br />

ältesten Tochter) gegenüber den Eltern. Ebenso fordert der Zen Buddhismus in Japan<br />

eine Kultur der Altenehrfurcht, die Ergebenheit der Kinder (insbesondere des ältesten<br />

Sohnes). Nach hinduistischer Tradition scheiden sich die Alten von der Familie ab und<br />

bilden Gruppen, die auf sich selbst gestellt, aber nicht schlecht angesehen sind (im heutigen<br />

Indien leben alte Menschen in der Regel in ihren Familien).<br />

In einfachen Kulturen kommen alten Menschen oft spirituelle Aufgaben zu. Sie stehen in<br />

Kontakt mit den Geistern der Ahnen. Die australischen Aborigines vertrauen, besonders in<br />

Phasen der Hinfälligkeit und des Siechtums, dem Geist ihres Heimatortes. Sie wünschen,<br />

unter einem Baum zu sterben. Demenzkranke gelten dort als von bösen Geistern besessen.<br />

Nicht selten sind dem Alter weltliche und religiöse Machtpositionen vorbehalten, dieses<br />

Senioritätsprinzip gilt gegenwärtig zum Beispiel in Westafrika. Mitunter bilden sich<br />

streng organisierte Alters- oder Generationenklassen, wobei die jeweils Älteren Autorität<br />

und Entscheidungsgewalt innehaben, wie es heute in Ostafrika der Fall ist. Bei den Kayapó<br />

im zentralbrasilianischen Amazonasgebiet sind Geschlecht und Alter die wichtigsten<br />

Unterscheidungskriterien. Das gesamte Leben ist in Altersklassen gegliedert, die jeweils<br />

besondere Rechte und Pflichten haben. Alter wird genutzt, um soziale Integration und<br />

Solidarität, aber auch Disziplinierung und Kontrolle zu gewährleisten.<br />

Altern kann allerdings auch mit erheblichen Machtverlusten einhergehen, wie in den klassischen<br />

Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens sowie in der griechischen Antike.<br />

Einige Jäger- und Sammler-Kulturen verweigern dem Alter ansehnliche Positionen und<br />

Rollen. Gelegentlich kann es zu absichtlicher Vernachlässigung kommen, in seltenen Fällen<br />

ist aktive Ausgrenzung und sogar Altentötung nicht ausgeschlossen. Das Spektrum<br />

kultureller Möglichkeiten reicht also von voller Integration und Wertschätzung bis hin zur<br />

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