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6. Altenbericht

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insbesondere das Vorruhestandsgesetz von 1984. Offizielles Ziel war es, durch die Frühausgliederung<br />

Älterer eine Regulierung des Arbeitskräfteangebots zu erreichen und jüngeren<br />

Beschäftigten aus den geburtenstarken Jahrgängen der Baby-Boomer-Generation<br />

Platz zu machen. Parallel dazu – und durchaus mit relativierenden Wirkungen auf das<br />

dahinter stehende negative Altersbild der arbeitsmarktpolitischen Nutzlosigkeit – erging<br />

ein Appell an den Beitrag der Älteren zur Generationengerechtigkeit nach dem Motto:<br />

Ältere machen solidarisch Platz für jüngere Arbeitssuchende beziehungsweise Arbeitslose!<br />

Diese Ansätze sind eine Konsequenz aus der „lump of labour fallacy“, der Vorstellung,<br />

man müsse ein gegebenes Arbeitsvolumen nur gerecht auf alle aufteilen. Diese vom ökonomischen<br />

Befund nicht gestützte Annahme kam auch in anderen Strategien zum Ausdruck,<br />

zum Beispiel dem Streben nach (Wochen-)Arbeitszeitverkürzung.<br />

Das Argument hat später vor allem in Ostdeutschland eine ganz zentrale Rolle gespielt,<br />

wo das – in der alten Bundesrepublik in der Zwischenzeit längst wieder abgeschaffte –<br />

Vorruhestandsgesetz Anwendung fand. Durch den (wenn auch hier zumeist unfreiwillig<br />

geleisteten) intergenerationellen Solidarbeitrag der Älteren konnte die plötzliche Umwidmung<br />

von den „Helden und Heldinnen“ beziehungsweise von den „Veteranen und Veteraninnen<br />

der Arbeit“ zu gesellschaftlich „Nutzlosen“ wenigstens teilweise ideologisch abgefedert<br />

werden, hatte aber auf die Realität der „erlebten Nutzlosigkeit“ nur wenig Einfluss<br />

(Ernst 1995). Zumindest in Westdeutschland haben sich aber die damit verknüpften „Solidaritätserwartungen“<br />

nur wenig erfüllt, denn viele Unternehmen haben die unterschiedlichen<br />

Frühverrentungsregelungen lediglich als personalwirtschaftliches, sozial verträgliches<br />

Anpassungsinstrument benutzt. Auf dieser Grundlage wurden in vielen Fällen die<br />

Belegschaften am „alten“ Ende reduziert, ohne dass junge Nachwuchskräfte in die Betriebe<br />

geholt wurden.<br />

So rational die Politik der Frühverrentung aus der Perspektive der jeweiligen Akteure auch<br />

gewesen sein mag, so fatal waren und sind die Langzeitfolgen, gerade mit Blick auf das<br />

dadurch beförderte Altersbild in der Arbeitswelt. Ältere, so die simple wie demütigende<br />

Botschaft dieser Praxis, werden nicht mehr gebraucht. Aufgrund des hohen Stellenwerts<br />

der Erwerbsarbeit und ihrer sozial-integrativen Funktion wurden Ältere zu „gesellschaftlich<br />

nutzlosen“ Personen degradiert. Damit – so die bisweilen getroffene Schlussfolgerung –<br />

wird gleichsam das Defizitmodell des Alters befördert, das heißt ein von Leistungseinbußen<br />

geprägtes Altersbild, mit dem für jedermann und jedefrau klargestellt wird: Ältere Arbeitnehmer<br />

und Arbeitnehmerinnen sind weniger produktiv und leistungsfähig als Jüngere<br />

– weshalb sie folgerichtig auch früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden können. Zumindest<br />

für die Frühphase der Frühverrentungspraxis in Deutschland ist in diesem Zusammenhang<br />

auch der Verweis auf die soziologische Disengagement-Theorie berechtigt,<br />

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