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6. Altenbericht

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schen zu genügen haben, andererseits Pflichten, denen ältere Menschen selbst nachzukommen<br />

haben. Für hilfsbedürftige ältere Menschen schreibt der Koran vor, dass ihnen<br />

die nötige Unterstützung, Pflege und Sorge zuteil werde, und zwar zuallererst durch die<br />

Kinder und aus Dankbarkeit. Sofern jedoch die körperlichen und geistigen Voraussetzungen<br />

vorhanden sind, haben auch ältere Menschen für sich selbst zu sorgen, und dafür<br />

sind ihnen altersgerechte Möglichkeiten zu eröffnen.<br />

Für weite Teile der islamischen Welt ist heute die „Kuwait Declaration on the Rights of<br />

Elderly – An Islamic Perspective“ (1999) richtungweisend. Danach soll das hilfsbedürftige<br />

Alter gehörig unterstützt, das rüstige Alter aber keineswegs frei sein von Arbeit. Vielmehr<br />

kann von einem religiös begründeten lebenslangen Recht auf Arbeit gesprochen werden.<br />

Es würde dem göttlichen Gebot widersprechen, wenn die verbliebene Arbeitskraft nicht<br />

zum Wohle der Gemeinschaft und Gottes genutzt würde. Wohlverdiente Ruhe am Lebensabend,<br />

wie sie in der westlichen Welt angestrebt wird, stellt in der islamischen Welt<br />

keinen primären Altersanspruch dar. Phasen aktiven und passiven Lebens werden nicht<br />

strikt unterschieden, vielmehr sind Ruhemomente in das Arbeitskontinuum eingebaut.<br />

Unterbrechung und Ruhe finden gläubige Muslime zuallererst im Gebet.<br />

Wissen und Weisheit begründen die Autorität des Alters, rechtfertigen das Ansehen, die<br />

Achtung und den Gehorsam, die das Alter genießt. Dazu gehört unabdingbar, dass die<br />

Altersautorität religiös rechtschaffen eingesetzt, dass glaubensgemäße Gerechtigkeit und<br />

Weisheit geübt wird. Das Alter soll gerechte Autorität sein, das heißt Sorge tragen einerseits<br />

für alle familiären und gemeinschaftlichen Angelegenheiten, andererseits sich selbst<br />

gegenüber, nämlich durch persönliche Einhaltung moralischer und ritueller Glaubenspflichten.<br />

Durch Religiosität werden Ruhe und Gelassenheit gewonnen. Jedoch wird geschlechtsspezifisch<br />

stark differenziert. Als der Wächterin über alle inneren (häuslichen<br />

und herzlichen) Angelegenheiten gebührt der Mutter größte Aufmerksamkeit und tiefste<br />

Zuneigung. Als dem Wächter über alle äußeren Angelegenheiten wird dem Vater Ehrfurcht<br />

und Gehorsam geschuldet. Beide Geschlechter aber sollen gütig und respektvoll,<br />

dankbar und fürsorglich behandelt werden.<br />

Koran und Hadithe sowie heutige islamische Stellungnahmen führen Ansehen und Autorität<br />

des Alters auf eine geradezu existenzielle Religiosität zurück. Sie sei im letzten Lebensabschnitt<br />

an der Zeit, um als gerechter Mensch im Frieden mit Gott und furchtlos<br />

hinscheiden zu können. Tiefe Gläubigkeit gebietet Ehrfurcht, und das hohe Alter ist gewissermaßen<br />

natürlicher Ort der Religion, weshalb ihm sogar mit einer gewissen Faszination<br />

begegnet wird. In diesem Sinne erklärt ein türkisches Sprichwort: „Wer seine Älteren<br />

nicht respektiert, respektiert auch den Gott nicht“.<br />

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