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6. Altenbericht

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und Versorgung von älteren Angehörigen, insbesondere von hilfsbedürftigen. In der Familie<br />

finden die Älteren Abwechslung, Unterhaltung, Gemeinschaftserlebnisse sowie Gelegenheit,<br />

sich mit Rat und Tat einzubringen. In Umfragen steht deshalb der Wunsch ganz<br />

oben, viel Zeit mit der Familie zu verbringen, die Kinder im Haushalt zu unterstützen und<br />

den Enkeln und Enkelinnen zur Verfügung zu stehen. Außerdem spielen für die erste Generation<br />

der Zu- und Einwanderer aus der Türkei Freundschaften sowie alltägliche religiöse<br />

Rituale eine wichtige Rolle. Aber auch Spaziergänge und Aufenthalte in Cafés und<br />

öffentlichen Parkanlagen werden hoch geschätzt.<br />

Die Schlüsselstellung der Familie zieht eine scharfe Ablehnung von Alters- und Pflegeheimen<br />

nach sich. Stellungnahmen aus islamischen Ländern bezeichnen solche Einrichtungen<br />

immer wieder als schlechteste und letzte Möglichkeit der Unterbringung. Indes<br />

weiß man auch dort um den Zerfall traditioneller Solidargemeinschaften und den Wandel<br />

von Familienstrukturen hin zur Klein- und Kernfamilie. Deshalb werden duale Versorgungssysteme<br />

befürwortet, nämlich familiäre Unterbringung bei staatlicher Unterstützung<br />

und Beistand durch ambulante Pflegedienste. Gleichwohl steigt die Anzahl von Altersund<br />

Pflegeheimen auch in der islamischen Welt. Dass es etwa in der Türkei solche Institutionen<br />

kaum gebe und dort die Großfamilie nach wie vor dominant sei, ist keine realistische<br />

Zustandsbeschreibung, zumal nicht für urbane Verhältnisse. Ein Familienalltag, der<br />

mehr und mehr von Berufstätigkeit beider Geschlechter bestimmt ist, unterläuft die religiösen<br />

und kulturellen Ideale und fordert im Hinblick auf das Alter pragmatische, und das<br />

heißt eben auch: institutionelle Lösungen.<br />

Diese Struktur- und Funktionsveränderungen der Familie wirken inzwischen signifikant auf<br />

Einstellungen, Vorstellungen und Wünsche zurück. Zwar sind türkischstämmige Bevölkerungskreise<br />

weit häufiger als andere Migrantengruppen der Meinung, dass die alten Eltern<br />

bei ihren erwachsenen Kindern leben sollten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge<br />

2009). Zugleich aber erscheint auch für türkische Migranten und Migrantinnen in Deutschland<br />

eine großfamiliäre Situation nicht selten als erhebliche Belastung und als konfliktreich<br />

(Weintritt 2008). Eine steigende Anzahl von Befragten kann sich durchaus vorstellen, im<br />

Alter ein von den Kindern getrenntes Leben zu führen. Eine solche Trennung halten viele<br />

für zufriedenstellender für beide Seiten als die traditionelle Option. Ausdruck finden diese<br />

weltanschaulichen Umstellungen auch darin, dass in dieser Bevölkerungsgruppe Ängste<br />

vor Unselbstständigkeit, Einsamkeit und Perspektivlosigkeit im Alter ähnlich stark ausgeprägt<br />

sind wie im Durchschnitt der Gesamtpopulation in Deutschland.<br />

Eine Umfrage von 2007 zeigt, dass türkische Migranten und Migrantinnen Alten- und<br />

Pflegeheime zwar mehrheitlich ablehnen, aber ambulanten Pflegediensten mit wachsender<br />

Zustimmung begegnen. Zugleich wird deutlich, dass die Akzeptanz solcher Institutio-<br />

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