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6. Altenbericht

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3.2 Kulturelle Plastizität des Alters<br />

Plastizität ist ein Schlüsselbegriff gegenwärtiger Forschungen zum Themenbereich Alter<br />

und Altern. Gemeint ist damit die Veränderung und Gestaltbarkeit von Alterungsvorgängen<br />

und Alterszuständen. Altersbilder sind kulturelle Phänomene sui generis: Es handelt<br />

sich um Deutungs-, Wert- und Ausdrucksmuster, mit denen Lebensmöglichkeiten und<br />

Lebensqualitäten älterer Menschen beschrieben, begründet, gedeutet und gerechtfertigt<br />

werden. Kulturelle Plastizität heißt: So stabil und unwidersprochen bestimmte Altersbilder<br />

erscheinen mögen, es handelt sich um vorläufige, bewegliche, umstrittene Muster. Sie<br />

sind von Kultur zu Kultur unterschiedlich und verändern sich in dem Maße, wie die alltäglichen<br />

Lebensumstände und Lebenserfahrungen komplexer werden. Sie differenzieren<br />

sich in einer globalisierten Welt nicht zuletzt durch Kontakte und Austausch zwischen den<br />

Kulturen aus.<br />

Altersbilder sind indes nicht einfach Ergebnisse, Ausdruck und Zeichen wechselnder und<br />

konfliktreicher Vorgänge und Verhältnisse in und zwischen Kulturen, sondern sie sind<br />

auch gleichsam Aktivposten: Sie erzeugen, bewirken und bestätigen selbst bestimmte<br />

soziokulturelle Vorgänge und Verhältnisse. Altersbilder formen und fordern reale Alternsformen<br />

bis hin zu Institutionen der Alterssicherung und Pflege. Altersbilder prägen alltägliche<br />

Sicht- und Verhaltensweisen im Hinblick auf das Alter, etwa auch wissenschaftliche<br />

Fragestellungen, Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen. Mit dem Begriff der kulturellen<br />

Plastizität ist also zweierlei gemeint: einerseits die kulturelle Formbarkeit von Altersbildern,<br />

andererseits die kulturelle Formkraft, die Altersbildern selbst innewohnt. In diesem<br />

Kapitel wird die kulturelle Formbarkeit und Formkraft von Altersbildern anhand von Beispielen<br />

dargestellt und kulturwissenschaftlich interpretiert.<br />

3.2.1 Weltoffenheit und kulturelle Vielfalt von Altersbildern<br />

Für das Altern und das Alter gibt es keine allgemein gültige Form im Sinne eines Altersbildes,<br />

das von der Natur oder anderer Quelle vorgegeben wäre, Zeiten und Räume übergreifend.<br />

Altersbilder werden kulturell gebildet, gefestigt und ausgestaltet, und zwar in<br />

sehr unterschiedlicher Weise. Auf alle nur erdenklichen Fragen des Alters finden sich in<br />

den Kulturen der Welt höchst mannigfaltige, nicht selten widersprüchliche bis hin zu einander<br />

diametral entgegengesetzten Antworten. Kulturwissenschaftliche und ethnologische<br />

Studien belegen die sogar „extreme kulturelle Plastizität des Alter(n)s“ (Sagner 1997:<br />

160). Das heißt: Was auch immer ein natürlicher Alterungsprozess sein mag, er wird kulturell<br />

sehr unterschiedlich thematisiert und interpretiert, ausgestaltet und ausgereizt. Die<br />

biologische Verfassung des Menschen lässt dafür weite Spielräume. Diese tiefgreifende<br />

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