20.07.2013 Aufrufe

6. Altenbericht

6. Altenbericht

6. Altenbericht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

11 Altersgrenzen im Recht und Altersbilder<br />

Aus soziologischer Sicht sind der Lebenslauf und die verschiedenen Altersphasen, aus<br />

denen er sich zusammensetzt, gesellschaftliche Konstruktionen. Altersphasen bekommen<br />

ihre typische Bedeutung erst durch soziale Zuschreibungen. Die so genannte „Institutionalisierung<br />

des Lebenslaufs“ (Kohli 1985) führt dazu, dass den Menschen in den verschiedenen<br />

Altersphasen jeweils ein anderer Fundamentalstatus zugewiesen wird, mit dem<br />

jeweils bestimmte Verhaltens- und Rollenerwartungen verbunden sind. Diese Altersphasen<br />

und die Übergänge zwischen ihnen gründen zumeist auf gesetzlich verankerten Altersgrenzen.<br />

Die Schulpflicht sowie Mündigkeits- und Ruhestandsregelungen definieren<br />

die drei grundlegenden Lebensphasen „Kindheit und Jugend“, „Erwerbsphase“ und „Ruhestand“,<br />

weshalb häufig von einer „Dreiteilung des Lebenslaufs“ (Kohli 1985) gesprochen<br />

wird. Die typische Abfolge dieser Lebensphasen ergibt als institutionalisiertes Strukturmuster<br />

des Lebenslaufs eine „Normalbiografie“.<br />

Die verschiedenen Lebensphasen sind jeweils mit bestimmten kollektiven Vorstellungen<br />

darüber verbunden, welches Verhalten und welche Lebensumstände jeweils als „normal“<br />

gelten. An jede Altersphase sind typische Handlungsmuster und Rollenerwartungen geknüpft,<br />

hier werden also auch normative Altersbilder wirksam. Das Rentenalter oder „der<br />

Ruhestand“ als eigenständige Lebensphase entstand als Folge der Einführung der im<br />

Laufe des 20. Jahrhunderts weitgehend verallgemeinerten Ruhestandsgrenzen und lebensstandardsichernder<br />

Renten (Göckenjan 2007). Damit wurden kollektive Vorstellungen<br />

etabliert, die mit der Lebensphase ab 60 oder 65 Jahren keine entgeltliche Arbeit<br />

mehr verbinden. Das Erreichen des Rentenalters bedeutet bis heute in aller Regel das<br />

Ende des Arbeitslebens, die Regelaltersgrenze hat so wesentlich zum Entstehen eines<br />

„funktionslosen Alters“ beigetragen.<br />

Es ist also vor allem die Rechtsordnung, die sich des chronologischen Altersbegriffes bedient,<br />

um die Vielfalt der individuellen Lebensformen und Lebensverhältnisse auf für sie<br />

handhabbare Typisierungen zu bringen. Büsges (1990) hat 455 Altersgrenzen im deutschen<br />

Recht identifiziert. Sie konstituieren in einer bestimmten Weise, mit einer bestimmten<br />

Regelungsabsicht und in einem spezifischen Kontext Altersphasen und beeinflussen<br />

damit (potenziell) individuelle und kollektive Altersbilder. In diesem Kapitel werden Arten,<br />

Funktionen und Felder von Altersgrenzen dargestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für<br />

Altersbilder reflektiert. Es wird untersucht, welche Wirkungen Altersgrenzen entfalten, wo<br />

sie sinnvoll sein können, wo sie diskriminierende Wirkungen entfalten und wo sie, Erkenntnissen<br />

der Gerontologie folgend, anzupassen sind. Eine Korrektur unangemessener<br />

Altersgrenzen kann die Entwicklung differenzierter Altersbilder unterstützen.<br />

373

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!