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6. Altenbericht

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Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr, bei in der Nutzung von öffentlichen Einrichtungen,<br />

ermäßigte Tarife bei der deutschen Bahn oder im Luftverkehr. In der Gastronomie<br />

gibt es Seniorenteller, im Handel Preisnachlässe. Diese Vergünstigungen haben unterschiedliche<br />

Gründe: Zum Teil unterstellen sie einen geringeren ökonomischen Handlungsspielraum<br />

älterer Menschen, andererseits sollen sie Anreize schaffen für soziale<br />

Teilhabe oder auch Teilnahme am Konsum. Sie sprechen häufig recht undifferenziert ältere<br />

Menschen als eine homogene Gruppe an. Auch solche generalisierenden Vergünstigungen<br />

für ältere Menschen stützen ein auf Segregation beziehungsweise Sonderstatus<br />

aufbauendes Altersbild. Zumindest aktuell kann bei älteren Menschen nicht generell Einkommensschwäche<br />

unterstellt werden. Vergünstigungen für ältere Menschen können<br />

gerade angesichts der prekären ökonomischen Ausstattung mancher jüngerer Menschen<br />

(z. B. Alleinerziehende mit Kindern, aber auch Arbeits- und Beschäftigungslose) negative<br />

Altersstereotype befördern. „Seniorenrabatte“ – so willkommen sie manchen preisbewussten<br />

älteren Menschen auch sein mögen – sollten im Hinblick auf ihre nicht intendierten<br />

Nebenwirkungen überdacht werden.<br />

Wenngleich das Grundgesetz mit seinem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot keine<br />

besondere Akzentuierung des Alters als potenzielles Diskriminierungsmerkmal enthält,<br />

haben Aspekte der Altersdiskriminierung inzwischen Eingang gefunden in das Allgemeine<br />

Gleichbehandlungsgesetz, das Altersdiskriminierung, mit manchen „Ausnahmetatbeständen“<br />

untersagt und Sanktionen bei Altersdiskriminierung kennt. Die Antidiskriminierungsstelle<br />

des Bundes berät von Diskriminierung Betroffene, informiert sie über bestehende<br />

Ansprüche, vermittelt die Beratung durch andere Stellen und ist bei der Erzielung einer<br />

gütlichen Einigung zwischen den Beteiligten hilfreich. Die (juristisch verbindliche) Feststellung<br />

von Altersdiskriminierung im Einzelfall obliegt den Gerichten. Sowohl die deutsche<br />

Justiz (auch das Bundesverfassungsgericht) als auch der Europäische Gerichtshof haben<br />

sich gegenüber Altersdiskriminierungen im Recht bisher eher defensiv verhalten. Der Europäische<br />

Gerichtshof erkennt die unwiderlegliche Vermutung eingeschränkter Leistungsfähigkeit<br />

als Berechtigung für Altersdiskriminierung weithin an. Damit gibt die Rechtsprechung<br />

im Zusammenhang mit der Altersdiskriminierung tatsächlich nicht die Impulse, die<br />

sie geben könnte. Die Justiz verweist hinsichtlich bestehender (und potenziell zweifelhafter)<br />

Altersgrenzen auf die Politik, die gegebenenfalls neue gerontologische Erkenntnisse<br />

aufnehmen und Altersgrenzen flexibilisieren oder korrigieren könnte. Die im Rechtssystem<br />

angelegte Dynamik für die Fortentwicklung des Rechtes durch die Justiz bleibt, bezogen<br />

auf die Problematisierung von Altersgrenzen, weitgehend ungenutzt. Die Justiz sollte ihre<br />

rechtsfortbildende Funktion in diesem Zusammenhang offensiver wahrnehmen.<br />

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