02.02.2017 Aufrufe

Kinderund

1811050

1811050

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Drucksache 18/11050 – 100 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

1.3.1 Die rechtliche Kodifizierung des Jugendalters<br />

Während die unterschiedlichen Lebenslagen von Jugendlichen relativ gut erforscht sind (vgl. Kap. 2), ist die<br />

rechtliche Regulierung des Jugendalters bislang nur wenig zum Gegenstand entsprechender Analysen geworden.<br />

Und auch innerhalb des Kontextes der in den letzten Jahren sehr aktiven Diskussion über Kinderrechte<br />

wurden die Rechte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum behandelt. Dies mag einerseits daran liegen,<br />

dass Jugendliche und junge Erwachsene auf den ersten Blick weniger schutzbedürftig erscheinen als Kinder.<br />

Doch sobald andererseits z. B. die drei Grundperspektiven der UN-Kinderrechtekonvention (UN-KRK)<br />

„Protection, Participation, Provision“ in Erinnerung gerufen werden wird schnell deutlich, dass in diesem Kontext<br />

auch die Rechte von Jugendlichen gemeint sind. Welches Recht auf Beteiligung (Participation), Förderung<br />

(Provision) und auch Schutz (Protection) haben Jugendliche und junge Erwachsene in unserer Gesellschaft und<br />

wie werden diese Rechte abgesichert?<br />

Auch der zweite Blick in die UN-KRK zeigt, dass hier grundlegende Fragen des Jugendalters tangiert sind,<br />

wenn etwa über das Recht auf Bildung und soziale Teilhabe oder die Rechte von jungen Menschen mit Fluchterfahrungen<br />

gesprochen wird sowie wenn reguliert wird, in welchem Alter junge Menschen zum Wehr- und<br />

Kriegsdienst verpflichtet werden können. Dennoch werden die Rechte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

bisher auf der Grundlage der UN-Kinderrechtekonvention kaum systematisch reflektiert. Auch in der Debatte,<br />

ob die Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen, wird in erster Linie aus einer familienpolitischen<br />

Perspektive oder vor dem Hintergrund von Kinder- und Kindheitspolitik argumentiert und nicht<br />

aus einem jugendpolitischen Blickwinkel.<br />

Diese Beobachtung kann aber nicht nur auf die gegenwärtige Diskussion um die Kinderrechte und die UN-KRK<br />

bezogen werden, sondern ist mit der rechtlichen Kodifizierung der generationalen Ordnung in unserer Gesellschaft<br />

insgesamt verbunden: Während die Kindheit mit dem Volljährigkeitsalter vom Erwachsenenalter abgegrenzt<br />

ist, ist die Jugend als eigenständige Lebensphase nicht kohärent rechtlich kodifiziert. So stellt Wabnitz in<br />

einer Expertise für diesen Jugendbericht heraus: „Interessanterweise hat sich an der Vermeidung der Begriffe<br />

Jugend/liche(r) im deutschen Zivilrecht bis zum heutigen Tage nichts geändert. Das BGB, in Kraft getreten am<br />

1.1.1900, unterscheidet trotz zahlreicher Änderungen an anderen Stellen bis heute ebenfalls nur zwischen Volljährigen<br />

(ab dem vollendeten 18. Lebensjahr) und Minderjährigen oder verwendet den Begriff ‚Kind(er)’. […]<br />

Auch im Verfassungsrecht war und ist mit Blick auf junge Menschen primär von ‚Kindern’ die Rede“ (Wabnitz<br />

2017, S. 10).<br />

Zwar bedeutet auch für die Jugendlichen das Volljährigkeitsalter eine grundlegende Zäsur. Doch liegt dies eher<br />

in der zeitlichen Mitte der rechtlichen Regulationen für Jugendliche und junge Erwachsene, wie sie sich z. B. in<br />

den Sozialgesetzbüchern oder im Strafrecht, aber auch in anderen Gesetzbüchern finden lassen. Insgesamt werden<br />

mit dem Verweis auf Jugendliche oder Jugend vor allem Übergangssequenzen zwischen der Kindheit und<br />

dem Erwachsenenalter in den Rechtsbereichen formuliert. Es wird dabei in definierten Abstufungen die rechtliche<br />

Stellung des Kindes in den Erwachsenenstatus überführt. Grundlegend ist, dass sich durch die Gesetzesbücher<br />

keine kohärente Kodifizierung des Jugendalters zieht. Zudem sind auch in den rechtlichen Regulationen<br />

Entgrenzungen (vgl. Abs. 1.2.4) zu beobachten, die das Jugendalter sowohl von seinem Beginn als auch von<br />

seinem Ende her nicht eindeutig bestimmen lassen. So wird das Jugendalter in den unterschiedlichen Rechtsbereichen<br />

– wenn überhaupt – unterschiedlich definiert. Daraus leiten sich entsprechend auch unterschiedliche<br />

Beteiligungs-, Teilhabe- und Schutzrechte für Jugendliche ab.<br />

Genau genommen ist auch die Kindheit im Recht nur bedingt als eigenständige Lebensphase kodifiziert, da das<br />

Kind wie der Jugendliche ein Rechtssubjekt ist (wie Erwachsene auch). Wapler notiert entsprechend in ihrer<br />

Expertise für diesen Jugendbericht: „Ein Rechtssubjekt ist ein Individuum, das fähig ist, Träger von Rechten<br />

und Pflichten zu sein. Das Kind ist in diesem Sinne Subjekt des Rechts von Geburt an. Im BGB kommt dies in<br />

der Formulierung zum Ausdruck: ‚Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Geburt’ (§ 1 BGB). Nicht anders ist es<br />

im Verfassungsrecht. Die Menschenrechte des Grundgesetzes nehmen grundsätzlich alle menschlichen Individuen<br />

in ihre Schutzbereiche auf: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar’ (Art. 1 Abs. 1 GG). ‚Jeder hat das<br />

Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit’ (Art. 2 Abs. 1 GG). Diese Rechte bestehen unabhängig von<br />

Alter, Geschlecht, Herkunft und kognitiven Kompetenzen“ (Wapler 2017, S. 22f.).<br />

Doch mit der rechtlichen Kodifizierung der generationalen Ordnung in unserer Gesellschaft ist verbunden, dass<br />

Kinder und Jugendliche „nicht jedes Grundrecht auch von Geburt an selbst wahrnehmen“ dürfen, sondern sie<br />

„müssen unter Umständen von Erwachsenen rechtlich vertreten werden. Begründet wird dies damit, dass Min-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!