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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 61 – Drucksache 18/11050<br />

Soziale Inklusion nur unter Preisgabe persönlicher Daten möglich<br />

Die digital-vernetzten Welten stellen für Jugendliche einen anspruchsvollen Balanceakt dar. Teilhabe bedeutet<br />

heute für sie digitale Teilhabe – und fordert ihnen aktuell eine Präsenz in kommerziellen Sozialen Netzwerken<br />

ab, wo sie ihre Peers antreffen. Das digitale Ökosystem junger Menschen konzentriert sich dabei vor allem auf<br />

vier Dienste, drei davon befinden sich in der Hand eines Unternehmens. Damit hat dieses Unternehmen Zugriff<br />

auf eine unbegrenzte Menge an Daten zu einzelnen Personen und Gruppen.<br />

Dieser Zugriff auf ihre persönlichen Daten ist Jugendlichen mehrheitlich bekannt. Sie wissen, dass ihre im Netz<br />

veröffentlichten Daten von Unternehmen aus Profitinteresse gesammelt und zu kommerziellen Zwecken ausgewertet<br />

werden – und heißen dies in der Regel nicht gut. Sie sehen sich aber auch einem Dilemma ausgesetzt, da<br />

ihre Chancen auf Rückmeldungen und Anerkennung in Sozialen Netzwerk steigen, wenn sie persönliche Inhalte<br />

einstellen und für andere erkennbar sind. Auch befördert ein authentischer Auftritt das Vertrauen in Beziehungen.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass der Mitmach- und Mithaltedruck groß ist. Nicht zuletzt sind die Risiken<br />

der gegenwärtigen Datensammlung und -auswertung auch schwer zu begreifen. Dass die zunehmend automatisierten<br />

bzw. algorithmisierten Verarbeitungen und Analysen von großen Datenmengen nicht nur individuelle<br />

Folgen haben, sondern auch zur Vorhersage zukünftiger Zustände und Entwicklungen dienen und in Folge von<br />

darauf aufbauenden Entscheidungen und Maßnahmen auch normbildend und verhaltensbestimmend wirken<br />

können, ist (nicht nur) für Jugendliche schwer zu durchschauen. Diejenigen jungen Menschen, die diese Risiken<br />

reflektieren, sehen aktuell wenig Möglichkeiten, mitentscheiden zu können, ob und unter welchen Voraussetzungen<br />

und zu welchen Zwecken Datenbestände analysiert werden dürfen und ab wann Risiken für die individuelle<br />

Lebensentfaltung, das soziale Miteinander und die demokratische Willensbildung überwiegen.<br />

Soziale Inklusion ist im digitalen Ermöglichungsraum Jugend somit aktuell nur unter Preisgabe persönlicher<br />

Daten möglich. Dies erklärt wohl auch, warum Jugendliche zwar Risiken ihres Handelns benennen, aber ihr<br />

eigenes Handeln oftmals nicht entsprechend ausrichten (können). Die genannten Dilemmata werden dabei von<br />

jungen Menschen mit formal geringerem Bildungshintergrund und sozioökonomischen Status offenbar weniger<br />

reflektiert.<br />

Ob und wie selbstbestimmt Menschen online partizipieren können, hängt somit nicht nur von den gesellschaftlichen<br />

und technischen Rahmenbedingungen, vorhandenen Ressourcen und Medienkompetenzen ab, sondern<br />

auch von infrastrukturellen Voraussetzungen. Um Jugend zu ermöglichen, sind daher zukünftig ein verbesserter<br />

Persönlichkeitsschutz, die Informations- und Meinungsfreiheit und die informationelle Selbstbestimmung zu<br />

gewährleisten und die Datenschutzregelungen und -maßnahmen hieran anzupassen.<br />

5. Ganztagsschule – eine neue Perspektive für Jugendliche?<br />

Der Aus- und Umbau der Schulen zu Ganztagsschulen war und ist eines der umfangreichsten bildungspolitischen<br />

Reformprojekte der letzten Jahrzehnte. Seit 15 Jahren steht sie im Mittelpunkt bildungspolitischer Diskussionen.<br />

Neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dem Ausgleich von herkunftsabhängigen<br />

sozialen Ungleichheiten auf den Bildungserfolg (allen voran auf den Schulerfolg) zielt die Ganztagsschule<br />

auf ein zeitlich und inhaltlich erweitertes Schulangebot. Dieses soll nicht nur verlässliche Betreuung sicherstellen,<br />

sondern auch die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern auch jenseits des Unterrichts und<br />

der Unterrichtsfächer verbessern.<br />

Inzwischen besuchen vier von zehn Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I (5. bis 9./10. Klasse) eine<br />

Ganztagsschule. Die Zahl der Ganztagsschulen bzw. der schulischen Verwaltungseinheiten stieg zwischen 2002<br />

und 2014 von 4.951 auf 16.488. Damit hat sich die Ganztagsschule zu einer Institution entwickelt, die dabei ist,<br />

in erheblichem Umfang – und anders als die Halbtagsschule – den Alltag junger Menschen zu strukturieren und<br />

zu prägen.<br />

Zugleich muss konstatiert werden, dass sich hinter dem Begriff Ganztagsschule eine große Vielfalt von Formen,<br />

z. B. in Bezug auf die Organisation, die Angebote und die Teilnahme offenbart, sodass man nur mit großer Zurückhaltung<br />

von „der“ Ganztagsschule sprechen sollte.<br />

Der angedeutete hohe Stellenwert der Ganztagsschule für das Aufwachsen junger Menschen legt es nahe – vor<br />

allem im Kontext einer auf Jugend fokussierten Berichterstattung –, das Verhältnis von Ganztagsschule und<br />

Jugend in den Blick zu nehmen. Die Ausdehnung der schulischen Angebote auf den Nachmittag hat dabei zur<br />

Folge, dass die entsprechenden Angebote nicht nur als schulische Lernorte fungieren, sondern in der Tendenz

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