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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 194 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

von Arbeitslosigkeit betroffen sind (z. B. Müller 2016) und auch Armutsrisiken der Kinder einkommensarmer<br />

Eltern sind deutlich erhöht (z. B. Jenkins/Siedler 2007; Schütte 2013).<br />

Die intergenerationale Reproduktion von Bildungschancen und Teilhaberisiken kennzeichnet das Bildungssystem<br />

ebenso wie den Arbeitsmarkt und den Bedarf an Transferleistungen in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Damit sind junge Menschen aus Familien unterer sozialer Schichten in ihren Prozessen der Qualifizierung und<br />

Verselbstständigung Risiken ausgesetzt, die mit Erwerbslosigkeit oder Einkommensarmut verbunden sind.<br />

2.4.4 Strukturelle Barrieren im Bildungssystem<br />

Zur Erklärung des Zusammenhangs von Bildungserfolg und sozialem Status finden sich in der Forschung vor<br />

allem Argumente, die die Familie und ihre Bedeutung in der Gestaltung und Unterstützung von Bildungskarrieren<br />

ins Zentrum stellen (z. B. Becker 2012). Die gleichen Erklärungsmodelle kommen im letzten Jahrzehnt im<br />

Zuge einer stärkeren Auseinandersetzung mit den durchgehenden Benachteiligungen von jungen Menschen mit<br />

eigener oder familialer Migrationsgeschichte zur Anwendung (z. B. Becker 2011; Becker/Schubert 2011). Hingegen<br />

sind institutionelle Barrieren und Selektionsprozesse im Bildungssystem als Mechanismen der Diskriminierung<br />

und Benachteiligung bestimmter sozialer Gruppen erst in den letzten zehn bis 15 Jahren verstärkt untersucht<br />

worden – hier vor allem in Bezug auf die Bildungsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten (vgl.<br />

Gogolin 2008; Gomolla/Radtke 2009; zusammenfassend Hormel 2010). Dabei verweisen viele Befunde auf eine<br />

zentrale Bedeutung institutioneller Bedingungen für die Chancen auf Teilhabe – gerade im Bildungssystem (vgl.<br />

zusammenfassend Ditton u. a. 2005; Baumert u. a. 2009). Dass der Zusammenhang von sozialer Herkunft und<br />

Bildungsungleichheit dabei auch mit Schließungsprozessen des allgemeinbildenden Schulsystems zusammenhängt,<br />

wird in Analysen deutlich, die zeigen, dass eine längere Zeit des gemeinsamen Lernens in der Grundschule<br />

sowie eine höhere Durchlässigkeit von Sekundarschulbildungsgängen die Kopplung zwischen sozialer<br />

Herkunft und Bildungserfolg verringern (z. B. Wößmann 2008; Lohmann/Groh-Samberg 2010; Büchler 2016).<br />

Als strukturelle Barrieren für Kinder von Eltern mit niedrigeren Qualifikationen werden weiterhin die hohe<br />

(soziale) Selektivität, die „schichttypische Verteilung auf unterschiedliche Schultypen“ (Geißler 2012, S. 20)<br />

und eine wenig ausgeprägte Kultur des Förderns diskutiert (ebd.).<br />

Bezogen auf die Benachteiligung junger Menschen mit Migrationshintergrund wird darüber hinaus auf die Verzögerung<br />

von Bildungskarrieren (z. B. Tuppat u. a. 2016), die Be-Sonderung durch Förderdiagnosen (z. B.<br />

Kornmann 2010; Powel/Wagner 2014) sowie auf eine fehlende Förderung und Anerkennung migrationsbedingter<br />

Mehrsprachigkeit hingewiesen (Gogolin 2008). Insgesamt zeigen sich damit im Bildungswesen immer noch<br />

Formen institutioneller Diskriminierung (Gomolla/Radtke 2009; Hormel 2010), die im Bezug auf migrationsbezogene<br />

Phänomene des Ausschlusses auch als strukturelle Rassismen diskutiert werden müssen. Gleiches gilt<br />

darüber hinaus für den Übergang in Ausbildung und Beruf, insbesondere bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen<br />

(z. B. Imdorf 2010; Granato 2013; Beicht/Walden 2014), aber auch in non-formalen Settings, wo sich Hinweise<br />

auf ethnische Selektivität von Sportvereinen (z. B. Zander 2015), von Institutionen des Ehrenamts (vgl.<br />

Deutscher Bundestag 2013, S. 104, 237) oder von Angeboten bspw. der internationalen Jugendarbeit (Dubiski<br />

2010) zeigen.<br />

2.4.5 Kumulation von Ausschlüssen<br />

Die hier aufgegriffenen Aspekte deuten das komplexe Zusammenspiel institutioneller sowie familialer und individueller<br />

Faktoren bei der Entstehung von Ungleichheiten im Jugendalter an. Zugleich wird deutlich, dass bestehende<br />

Benachteiligungen im Zugang zu Qualifizierungsprozessen und in den individuellen Möglichkeiten,<br />

Schritte der Verselbstständigung zu unternehmen, nicht eindimensional unter Verweis auf einzelne Differenzlinien<br />

zu beschreiben sind. Stattdessen zeigen sich in Bezug auf bestehende Ungleichheiten komplexe Überlagerungen<br />

und teilweise Kumulationen von Teilhaberisiken. So unterscheidet bspw. die nationale Bildungsberichterstattung<br />

die Risikofaktoren geringer formaler Qualifikation der Eltern, des Ausschlusses der Eltern aus Erwerbszusammenhängen<br />

sowie der Armutsgefährdung (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014,<br />

2016): Insbesondere für junge Menschen, die von mehreren Risikolagen betroffen sind, ergeben sich vielfältige<br />

Ausschlüsse. Zugleich treten sowohl einzelne Risiken als auch deren Zusammentreffen bei Kindern Alleinerziehender,<br />

in Familien von Zugewanderten sowie in verschiedenen Regionen mit unterschiedlicher Häufigkeit auf.

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