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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 204 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

nen Freizeitorientierungen als Gegenpositionen zwischen den Jugendlichen und Erwachsenen entworfen werden.<br />

Anders fallen die Analyseergebnisse zu Freizeitaktivitäten der Zwölf- bis 17-Jährigen anhand der AID:A II-<br />

Daten (2014) aus. Unter den fünf Freizeittypen finden sich zum einen mit den „wenig aktiven, medienorientierten“<br />

und den „älteren, konsum- und partyorientierten“ Jugendlichen zwei Gruppen ohne spezifische Anbindung<br />

an eine soziale Schicht. Zum anderen wird eine Gruppe von „aktiven, familienorientierten Jugendlichen mit<br />

geringer Bildungsorientierung“ herausgearbeitet, für die sowohl Familienaktivitäten wie Unternehmungen mit<br />

Freundinnen und Freunden eine große Bedeutung haben.<br />

Schulbesuch und schulische Themen bestimmen umfangreich nicht nur das Leben der Jugendlichen, sondern<br />

auch die gemeinsame Zeit in den Familien. Aus dem Vergleich von Daten aus den Jahren 2001 und 2012 für<br />

Nordrhein-Westfalen ergibt sich nicht nur, dass zehn- bis 18-jährige Jugendliche zunehmend einen höheren<br />

Bildungsabschluss anstreben (vgl. auch Leven u. a. 2015, S. 71), sondern zudem, dass sie 2012 durchschnittlich<br />

vier Stunden „reine Unterrichtszeit“ mehr für den Schulbesuch aufwenden. In der verbleibenden Familienzeit<br />

erkundigen sich Eltern bei ihren Kindern nicht nur zunehmend nach dem Schultag, sondern gleichzeitig unterstützen<br />

sie verstärkt auch die Hausaufgabenerledigung und die schulische Leistungserbringung (vgl. Fraij u. a.<br />

2015, S. 175f.). Zugespitzt kann so nicht mehr nur von einer „Scholarisierung“ des Jugendalltags, sondern zunehmend<br />

auch von einer „Scholarisierung der Familienbeziehungen“ ausgegangen werden, wenn die Vorbereitung<br />

auf Referate, Testate und Prüfungen immer mehr auch die gemeinsame Familienzeit in Anspruch nehmen.<br />

Daran ändert die vorangeschrittene Einführung der Ganztagsschule anscheinend wenig, obwohl die Daten der<br />

StEG-Studie (Holtappels u. a. 2007) belegen, dass seit der Einführung von ganztägigen Schulangeboten die<br />

Eltern-Kind-Beziehungen insgesamt, v. a. von Eltern aus ressourcenärmeren Haushalten, als entlasteter von<br />

Schulproblemen eingestuft werden.<br />

Ein potenziell konfliktreicher Themenbereich zwischen Eltern und (ihren) jugendlichen Kindern ist deren Mediennutzung,<br />

wobei dies sich insbesondere auf den Gebrauch von Spielekonsolen und Internet per PC oder mobilem<br />

Endgerät bezieht. Die Einhaltung von Regeln zu genutzten Inhalten und zur Dauer des Gebrauchs führen<br />

bereits in etwa jeder siebten Familie mit 14- bis 17-jährigen Jugendlichen ohne problematische Mediennutzung<br />

zu Streit, in Konstellationen mit problematisch eingeschätzter Mediennutzung trifft dies in fast 90 Prozent der<br />

Fälle zu. Die Brisanz des Konfliktfeldes zeigt sich in der umfangreichen Umkehrung des Erfahrungsvorsprungs<br />

der Elterngeneration, wenn etwa 80 Prozent der Eltern angeben, dass sie der Meinung sind, dass ihr Kind mehr<br />

Kenntnisse zu Computer und Internet besitzt als sie selbst (vgl. Kammerl u. a. 2012, S. 132f.). Vor diesem Hintergrund<br />

entfaltet die Nutzung der digitalen Medien einen dynamischen Interaktionsraum zur Aushandlung familialer<br />

Einbindung vs. Eigenständigkeit (vgl. hierzu genauer Kap. 4).<br />

3.2.3 Jugendliche und ihre familialen Zukunftsentwürfe<br />

Die Frage danach, ob und wie sich Jugendliche und junge Erwachsene eine eigene Familie in der Zukunft vorstellen<br />

und wie diese beschaffen sein könnte, gehört zu den „Standardfragen“ repräsentativer Jugendstudien. So<br />

fragt etwa die Shell-Studie danach, inwiefern die erlebte elterliche Erziehung als Zukunftsmodell für die eigene<br />

Familiengründung brauchbar sei. Jugendliche antworten auf die Frage, ob sie ihre Kinder ähnlich erziehen wollen,<br />

wie sie selbst von ihren Eltern erzogen wurden, umfangreich zustimmend. Im Jahr 2015 geben 74 Prozent<br />

der Befragten an, dass sie einen zu ihren Eltern identischen oder ähnlichen Erziehungsstil wählen würden, womit<br />

die Zustimmungsrate seit 2002 um fünf Prozentpunkte angestiegen ist (vgl. ähnliche Ergebnisse bei<br />

Maschke u. a. 2013, S. 39). Jedoch bleibt zu bedenken, dass sich diese positive Einschätzung von erlebter Familie<br />

nicht auf eine zeitunabhängige Konstante, sondern auf ein in der Zeitperspektive verändertes, potenziell offeneres<br />

Erziehungsverhalten bezieht, denn zunehmend weniger Jugendliche können oder wollen sich vom Erziehungsstil<br />

ihrer Eltern definitiv abgrenzen. So gab 1985 noch fast die Hälfte der Jugendlichen an, ihre Kinder<br />

„anders“ bzw. „ganz anders“ erziehen zu wollen, während dies in 2015 nur noch 23 Prozent der Jugendlichen<br />

antworten. Zudem wird die erlebte Erziehung, jedoch schichtspezifisch unterschiedlich, als Modell für eine<br />

eigene Familie gewertet: Während die Zustimmungsraten ab der so benannten „Mittelschicht“ bei 78 bis<br />

87 Prozent liegen, liegt der Wert bei den Jugendlichen der sogenannten „unteren Schicht“ um bis zu<br />

40 Prozentpunkte niedriger (47 %). Die Herkunftsfamilie als Zukunftsentwurf zu sehen, hängt somit eng von<br />

der erlebten ökonomisch-materiellen Ausstattung und dem Bildungsstand der Eltern ab (vgl. Leven u. a. 2015,<br />

S. 54f.).

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