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Drucksache 18/11050 – 350 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

Bereits der 14. Kinder- und Jugendbericht sah die Schule als einen höchst ambivalenten Ort, der zwar eine kollektiv<br />

prägende, gemeinsame Erfahrung des Jugendalters, zugleich aber auch eine sehr persönliche Erfahrung<br />

für jeden Jugendlichen eröffnet (Deutscher Bundestag 2013, S. 156f.). Jugendliche erfahren die Schule aber in<br />

jedem Fall als einen für sie sehr prägenden Ort, da dieser als Zertifizierungsinstanz nicht nur ihre Chancen und<br />

Möglichkeiten in individueller Hinsicht erheblich beeinflusst, sondern auch die Weichen für ihre ersten sozialen<br />

und beruflichen Positionierungen stellt.<br />

Nicht übersehen werden dürfen dabei die auf die Schule folgenden Schritte in den Bildungsbiografien. Dazu<br />

gehören v. a. die berufliche Bildung, die dualen Studiengänge, die zweiten Bildungswege, das Hochschulschulstudium.<br />

In diesen Bildungsfeldern können auch die in der Schule gegebenenfalls erlebten negativen Erfahrungen<br />

kompensiert und aufgearbeitet werden.<br />

Mit der Ganztagsschule verändert sich aber auch für die teilnehmenden Jugendlichen der Schulalltag. So führt<br />

die Nutzung der Ganztagsangebote zu einem längeren Verbleib in der Schule und eröffnet dabei zugleich neue<br />

Lern- und Erfahrungsräume über den Unterricht hinaus. Die Ganztagsschule wirkt aber auch direkt in den Alltagsrhythmus<br />

Jugendlicher hinein und verändert möglicherweise auch deren Abläufe und Planungen. Immer<br />

wieder geäußerten kritischen Einschätzungen von Jugendlichen zum tatsächlichen Umfang und zu möglichen<br />

Folgewirkungen bzw. Einschränkungen in der Ganztagsschule, etwa zum Freizeitverhalten (z. B. Soremski<br />

2011), stehen zugleich auch positive Einschätzungen zu erweiterten selbstbestimmten Handlungs- und Aneignungsmöglichkeiten<br />

und zu neuen Chancen der Gestaltung von Freiräumen gegenüber (vgl. Hunner-Kreisel<br />

2008, S. 45).<br />

Ob die Ganztagsschulen in der Summe „nach dem Geschmack“ der Schülerinnen und Schüler sind und ob die<br />

mit ihr verbundenen Vorstellungen und Erwartungen tatsächlich den Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen<br />

entsprechen, kann am ehesten von diesen selbst beantwortet werden. Dazu liegen jedoch nur wenige Hinweise<br />

und Befunde vor. Hinweise über das Teilnahmeverhalten in den verschiedenen Altersstufen lassen zumindest<br />

Rückschlüsse darüber zu, dass das Alter bei der Akzeptanz der Ganztagsschule eine große Rolle spielt:<br />

Mit zunehmenden Alter (etwa ab dem 15. Lebensjahr) suchen die Schülerinnen und Schüler andere Möglichkeiten<br />

für ihre Freizeit; die Zahl der teilnehmenden Jugendlichen nimmt daher sukzessive ab (so etwa die PIN-<br />

Studie in Brandenburg, vgl. hierzu Kanevski/von Salisch 2011; Arnoldt u. a. 2013, S. 11). Das bestätigen aber<br />

auch andere Untersuchungen (StEG-Konsortium 2010; Börner u. a. 2014). Dieses Verhalten Jugendlicher ist<br />

jedoch nicht spezifisch für die Ganztagsschule, sondern findet sich in vergleichbarer Weise auch bei der Nutzung<br />

außerschulischer Angebote (vgl. Arnoldt u .a. 2013, S. 11, mit Hinweis auf die MediKuS-Studie, vgl.<br />

Grgic/Züchner 2013).<br />

5.3.2 Aspekte zur Einschätzung Jugendlicher<br />

Sieht man einmal von den Ergebnissen der Schülerbefragung im Rahmen der „Studie zur Entwicklung von<br />

Ganztagsschulen – StEG“ (StEG-Konsortium 2010) und einigen länderbezogenen Daten ab (z. B. Börner u. a.<br />

2014; Soremski 2011 und 2013; Kanevski/von Salisch 2011), dann ist festzustellen, dass über die individuellen<br />

Haltungen der Schülerinnen und Schüler zur Ganztagsschule nur wenig Daten vorliegen. Dies ist umso erstaunlicher,<br />

als insbesondere die Ganztagsschule als ein überwiegend „freiwilliges“ Angebot auch um die Zustimmung<br />

Jugendlicher ringen muss und ihr daher die Einschätzung Jugendlicher nicht gleichgültig sein kann.<br />

Die Frage nach den Einschätzungen und Bewertungen Jugendlicher bzw. ihrem Verhältnis zur Ganztagsschule<br />

kann allerdings nur im Kontext von Schule und von der Funktion und den Erfahrungen im Alltag der Ganztagsschulen<br />

nachvollzogen und verstanden werden, denn auch eine Ganztagsschule erfüllt weiterhin die Funktion<br />

der Schule mit ihrem Zertifizierungscharakter, produziert und bestätigt Erfolge, aber auch Misserfolge. Es stellt<br />

sich daher die Frage, inwieweit Jugendliche dem Besuch der Ganztagsschule eine andere, weitergehende Bedeutung<br />

für sich selbst und ihren Entwicklungsmöglichkeiten zumessen. Dazu gehören Fragen der eigenen individuellen<br />

Anerkennung und ihrer Suche nach Selbstbehauptung und Qualifizierung ebenso wie die Akzeptanz des<br />

Bedürfnisses nach Verselbstständigung.<br />

Die gegenwärtigen Erkenntnisse über die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler zeigen eher ein ambivalentes<br />

Bild und dokumentieren, dass Jugendliche die Ganztagsschule mit eigenen Augen sehen und ihre Zufriedenheit<br />

sehr von den schulinternen und sie umgebenden, externen Rahmungen abhängig ist: sowohl bezogen auf<br />

die Möglichkeiten der Partizipation, der Einbeziehung außerunterrichtlicher Partner und ihrer Angebote als auch

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