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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 485 – Drucksache 18/11050<br />

trachtung von biografischen und sozialen Verläufen Jugendlicher und junger Erwachsener auch über das Hilfeende<br />

hinaus, ist zwingend erforderlich.<br />

‣ Soziale Dienste für Jugendliche und junge Erwachsene überprüfen und systematisch absichern<br />

Soziale Dienste für Jugendliche und junge Erwachsene sind oftmals undurchsichtig und regional<br />

sehr unterschiedlich etabliert. Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre ist z. B. durch Ausdifferenzierungen,<br />

Ergänzungen und Veränderungen von Maßnahmen ein Übergangsdschungel entstanden,<br />

der von jungen Menschen – insbesondere jungen Erwachsenen – und selbst von Fachkräften kaum<br />

noch durchschaut wird. Inzwischen handelt es sich hierbei auch nicht mehr um historischvorübergehende<br />

Maßnahmen, die für eine bestimmte Epoche das (Berufs-)Bildungssystem ergänzen,<br />

sondern um einen systematischen Bestandteil im institutionellen Gefüge des Aufwachsens.<br />

Doch diesem Charakter werden sie in ihrer Intransparenz und Unübersichtlichkeit sowie ihrer pädagogischen<br />

Ausrichtung auf das Jugendalter nicht gerecht. Insgesamt sind diese sozialen Dienste<br />

dahin gehend zu überprüfen und systematisch abzusichern, inwieweit sie nachhaltig die Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen in ihrer jeweiligen Lebenslage erreichen und dabei deren persönliche<br />

Rechte wahren und nicht verletzen.<br />

Das Feld der sozialen Dienste für Jugendliche und junge Erwachsene ist durch große regionale Disparitäten und<br />

Unübersichtlichkeiten gekennzeichnet. Ob ein junger Mensch Unterstützung bekommt, hängt sehr stark von<br />

seinem Wohnort ab. Zudem werden z. B. Hilfen in dem Zuständigkeitswirrwarr in einigen Kommunen zurückgefahren,<br />

wie es sich etwa im Schatten der sozialen Dienste am Arbeitsmarkt in Bezug auf die Jugendsozialarbeit<br />

zeigt. Insgesamt erscheint eine jugendpolitische Überprüfung des Übergangssystems überfällig, einschließlich<br />

der sozialen Dienste am Arbeitsmarkt und der endgültigen Zurücknahme der stärkeren Sanktionierung von<br />

jungen Menschen unter 25 Jahren sowie der Schlechterstellung von jungen Menschen im Leistungsbezug. Es ist<br />

an der Zeit, darüber nachzudenken, wie ein Konzept zur Neuordnung und systematischen Integration des Übergangssystems<br />

in die Bildungs- und Jugendhilfeinfrastruktur entwickelt werden könnte. Hier wäre auch die inklusive<br />

Öffnung des Übergangssystems systematisch zu integrieren, damit Friktionen zwischen den Leistungsbereichen<br />

und dem (Berufs-)Bildungssystem bearbeitet werden können.<br />

Zudem sind auch die jugendpädagogischen und -politischen Orientierungen der sozialen Dienste für Jugendliche<br />

und junge Erwachsene neu zu bestimmen. Während z. B. der Horizont vieler Maßnahmen des Übergangssystems<br />

kaum über Qualifizierungsprozesse hinausreicht, wird in den Hilfen zur Erziehung mitunter die Bedeutung<br />

der Qualifizierungsprozesse unterschätzt, und es ist ein verkürztes Verständnis von Verselbstständigung<br />

auszumachen, in dem z. B. keine nachhaltige soziale Sicherungs- und Qualifizierungsperspektive angelegt ist.<br />

Notwendig ist in diesem Kontext auch der Ausbau von vernetzten und niedrigschwelligen sozialräumlichen<br />

Unterstützungsstrukturen für junge Erwachsene in den Kommunen, in die auch die Jugendsozialarbeit, gesundheitsbezogene<br />

Dienste sowie die Hilfen für junge Volljährige einbezogen werden. Diese Unterstützungsstrukturen<br />

sollten somit eng mit den Kinder- und Jugendhilfeleistungen gekoppelt werden. Auch hier gilt es, Friktionen<br />

zwischen den Zuständigkeitsbereichen zu verhindern, die zu sozialen Sicherungslücken für die Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen führen können.<br />

Es erscheint weiterhin angebracht, die Förderung von Qualifizierungsprozessen – auch im jungen Erwachsenenalter<br />

– in die Hilfeplanprozesse und Leistungsstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern und zusätzlich<br />

die Fortschreibung von Hilfeplänen als Beratungsangebot über das Hilfeende hinaus (soweit der junge<br />

Mensch einwilligt) in das SGB VIII aufzunehmen. Hier wird es in den kommenden Jahren notwendig sein, an<br />

die positiven Ansätze anzuknüpfen, wie sie gegenwärtig u. a. im Kontext der Diskussion um „Leaving Care“<br />

begonnen wurden und sich auch in den Diskussionen zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen ausdrücken.<br />

Im Ergebnis wäre es dabei eine notwendige weiterführende Konsequenz, die Begründung der Beendigung<br />

einer Hilfe dergestalt zu regeln, dass Hilfen nur im Einvernehmen mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

beendet werden können und nicht allein durch den öffentlichen Träger. Dieser muss auch nach dem<br />

Hilfeende zuständig bleiben, damit das Übergangs- nicht zum Abschiedsmanagement wird. In diesem Kontext<br />

hat schon der 14. Kinder- und Jugendbericht eine stärkere Berücksichtigung der Lage der jungen Volljährigen<br />

gefordert. Es steht somit an, das junge Erwachsenenalter aus einer jugendpolitischen Perspektive neu in den<br />

Horizont der sozialen Dienste zu rücken und auch kommunal soziale Infrastrukturen für junge Erwachsene aufzubauen.

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