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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 325 – Drucksache 18/11050<br />

Ein weiterer Bereich, der für die Jugendarbeit, stationäre Hilfe und andere Praxisfelder der Jugendhilfe relevant<br />

ist und gleichzeitig eine wichtige Rahmenbedingung für das jugendliche Medienhandeln darstellt, ist der erzieherische<br />

Jugendmedienschutz. Ziel des Jugendmedienschutzes ist es, Jugendliche vor Inhalten zu schützen, die<br />

sie in ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigen<br />

oder (schwer) gefährden könnten; Ziel ist es aber auch, ihre Medienkompetenz zu fördern und sie damit in<br />

ihrer Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie Verantwortung gegenüber<br />

Anderen zu stärken. Durch die digitalen Medien und damit einhergehenden erweiterten Zugänge und Möglichkeiten<br />

zu Information, aber vor allem auch Interaktion und Kommunikation gestaltet sich der Jugendmedienschutz<br />

derzeit sehr anspruchsvoll. Klassische Altersbeschränkungen, die nicht nur auf das Medium Kino (FSK<br />

1951) zurückgehen und bis heute nicht einleuchtend entwicklungspsychologisch begründet sind, sondern auch<br />

die Vorverlagerung des Übergangs von der Kindheit zum Jugendalter missachten (vgl. Kap. 1), müssen entsprechend<br />

angepasst werden. Wie überholt aber auch eine alleinige Fokussierung auf Altersbeschränkungen ist,<br />

zeigen vor allem Online-Spiele, die ein anderes Involvement erfordern und deren Software jederzeit, von Version<br />

zu Version, erweitert und verändert werden kann. Insgesamt liegen die Risiken im Internet damit nicht mehr<br />

nur auf der Inhalts-, sondern verstärkt auch auf der Interaktions- und Kommunikationsebene. Jugendliche bewegen<br />

sich in konvergenten Medienwelten, sie suchen ihre Inhalte nicht nur im Film, sondern zeitgleich auch im<br />

digitalen Spiel, in Online-Communities, auf Videoplattformen usw. (vgl. Abs. 4.1 und 4.2). Sie werden damit<br />

auch immer mehr selbst zu Akteurinnen und Akteuren und können durch ihr eigenes Handeln oder das Handeln<br />

Dritter in risikobehaftete Situationen gelangen (z. B. Hate Speech, Shitstorms, Cyberstalking oder Cybermobbing).<br />

Hier stößt der Jugendschutz mit den bisherigen Regelungen an seine Grenzen. Nicht nur aus diesem<br />

Grund scheint ein ordnungsrechtliches und kontrollierendes Verständnis von Jugendmedienschutz, das bislang<br />

zuvorderst die zu schützenden Jugendlichen selbst im Blick hatte, nicht mehr zeitgemäß. Notwendig erscheinen<br />

stattdessen ein kohärentes und v. a. auch international abgestimmtes System der Alterskennzeichnung und die<br />

Förderung der Selbstregulierung durch ein wissenschaftlich fundiertes und stetig zu aktualisierendes Instrument<br />

der Selbsteinschätzung. Dieses sollte immer auch flankiert sein von Positivkennzeichnungen, sodass das zweite<br />

Standbein des Jugendmedienschutzes, die Förderung von Autonomie und Medienkompetenz, einen größeren<br />

Stellenwert erhält. Technische Maßnahmen sollten somit immer auch mit personellen Maßnahmen einhergehen.<br />

In diesem Sinne kommt den Anbietern der öffentlichen Hand eine wichtige Rolle zu, nicht nur bei der Entwicklung<br />

eines sozial- und geisteswissenschaftlich fundierten „technischen Jugendschutzes“, sondern vor allem auch<br />

bei der Förderung flankierender pädagogischer Maßnahmen, die Eltern die positiven Aspekte der Online-<br />

Teilhabe und Partizipation nahebringen und Jugendliche in ihrem Medienhandeln stärken. Zentral für ein „intelligentes<br />

Risikomanagement“, wie es das Zentrum für Kinderschutz im Internet bezeichnet 71 , ist daher das Zusammenspiel<br />

technischer, präventiver, erzieherischer und partizipativer Maßnahmen. Aktuell berücksichtigen<br />

die Schutzmaßnahmen das alltägliche Medienhandeln Jugendlicher und insbesondere auch die von ihnen selbst<br />

formulierten Schutzbedürfnisse nicht oder nur unzureichend (z. B. Persönlichkeitsrecht, Urheberrecht, extremistische<br />

Inhalte), auch werden Jugendliche bis heute nicht in Jugendschutzdiskussionen einbezogen. Konzepte wie<br />

„safety by design“ und „privacy by design“ sollten im Austausch mit ihnen weiterentwickelt werden.<br />

Von politischer Seite gibt es erste Vorstöße, statt der Kontrolle zukünftig stärker die Bedeutung der Prävention<br />

sowie unterstützender Strukturen und Angebote in den Vordergrund zu stellen. Konstatiert wurde z. B. auf der<br />

Jugend- und Familienministerkonferenz 2015, dass Kinder und Jugendliche ein Recht auf ein „gutes Aufwachsen<br />

mit Medien“ haben (JFMK 2015, S. 1). Daher sollten sich die Angebote des erzieherischen Kinder- und<br />

Jugendschutzes zukünftig nicht mehr allein an die jungen Menschen selbst richten, sondern auch an ihre Eltern,<br />

an Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, an Lehrkräfte aller Schulformen sowie an weitere potenzielle Multiplikatorinnen<br />

und Multiplikatoren. Ziel sollte es sein, verlässliche, flächendeckend verfügbare und<br />

niedrigschwellige Beratungs- und Informationsangebote sowohl im Internet als auch vor Ort zu gewährleisten.<br />

Bei der Entwicklung der Angebote gilt es, „an die Erfahrungsräume von Kindern und Jugendlichen anzuknüpfen<br />

und nicht allein die Risikodimensionen in den Blick zu nehmen“ (ebd. S. 2). „Befähigung und Partizipation“<br />

sollten sich demnach zukünftig in allen Angeboten und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe wechselseitig<br />

ergänzen (ebd., S. 8). Bei der Entwicklung der Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes sollten<br />

junge Menschen dann auch konsequent beteiligt werden, da nur dann Maßnahmen Erfolg versprechend seien.<br />

Das JFMK-Positionspapier reagiert damit auf die Herausforderungen, mit denen sich der Jugendschutz aktuell<br />

angesichts der global verfügbaren digital-vernetzten Infrastruktur konfrontiert sieht. Der Fokus wird von Schutz<br />

71<br />

Vgl. www.I-kiz.de [12.09.2016].

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