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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 464 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

In verschiedenen Teilen dieses Berichts wird darauf hingewiesen, dass das institutionelle Gefüge des Aufwachsens<br />

heute so umfassend wie nie zuvor von Bildungsinstitutionen geprägt ist. Die Rede von der „Scholarisierung<br />

des Jugendalters“ verweist entsprechend darauf, dass der Alltag von Jugendlichen heute mehr denn je durch<br />

Bildungsinstitutionen strukturiert wird und über diese einerseits die Erwartungen an Jugendliche und andererseits<br />

die Zugänge zu sozialer Teilhabe in dieser Gesellschaft vermittelt werden. Angesichts dieser generellen<br />

Bedeutung können sich die Bildungsinstitutionen nicht auf die Organisation von Qualifizierungsprozessen beschränken.<br />

Gleichzeitig scheint gegenwärtig im öffentlichen Diskurs der Erwerb von Qualifikationen und Bildungszertifikaten<br />

im Jugendalter vor alle anderen Herausforderungen zu rücken. Entsprechend müssen die Bildungsinstitutionen<br />

ihren Platz im institutionellen Gefüge des Aufwachsens neu ausgestalten. Bisher ist nicht systematisch<br />

erkennbar, wie die Bildungsinstitutionen auf die Veränderungen des Jugendalters reagieren, die sie selbst mitgestalten<br />

und in denen sie möglicherweise selbst zu einem „Teil des Problems“ werden. Eine jugendspezifische<br />

Neuausrichtung von Bildungsinstitutionen ist daher auf entsprechende Initiativen angewiesen.<br />

Dazu gehört auch, dass Jugendliche und junge Erwachsene ein Recht darauf haben müssen, dass ihnen Jugend<br />

sozial gerecht und institutionell verlässlich ermöglicht wird. Es darf nicht nur von den ihnen zur Verfügung<br />

stehenden individuellen und sozialen Ressourcen abhängig sein, wie sie die Kernherausforderungen meistern.<br />

Junge Menschen sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft hält, was sie verspricht: Jugendliche und junge<br />

Erwachsene müssen sozial gerechte und für sie transparente Strukturen, Beziehungen und Institutionen erfahren<br />

können, die es ihnen ermöglichen, diese Kernherausforderungen auch bewältigen zu können. Entsprechend wird<br />

in diesem Bericht gefragt, welche sozialen und institutionellen Rahmungen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

vorfinden und ob sie sich auf diese verlassen können.<br />

‣ Verlängerung des Jugendalters im Übergang in das Erwachsenenalter<br />

Jugend ist mit dem Übergang in die Volljährigkeit nicht beendet. Viele Übergangsschritte des Erwachsenwerdens<br />

haben sich zum Teil weit in das dritte Lebensjahrzehnt verschoben: Abschluss<br />

der Berufsausbildung und des Studiums, Auszug aus dem Elternhaus, eigenständige Haushaltsführung,<br />

ökonomische Verselbstständigung. Damit ergeben sich vielfältige Übergangskonstellationen,<br />

die zu neuen Herausforderungen für Jugendliche und junge Erwachsene führen, die auch soziale<br />

Risiken und Ungleichheiten hervorrufen können. In den politischen Arenen muss daher um ein<br />

zeitgemäßes Verständnis von Jugend gerungen werden, das die Übergangskonstellationen im jungen<br />

Erwachsenenalter mit einschließt, die ihrerseits besondere gesellschaftliche Integrationsleistungen<br />

erforderlich machen können. Das Erreichen der Volljährigkeit darf insofern kein automatisches<br />

Ende von jugendspezifischen Unterstützungsformen und Politikstrategien sein.<br />

Das Jugendalter in einen zeitlich klar abgegrenzten Rahmen im Lebensverlauf zu fassen, ist heute weniger möglich<br />

denn je. Anfang und Ende des Jugendalters sind nicht eindeutig bestimmbar, unterschiedliche Eingrenzungen<br />

bestehen nebeneinander. Zwar wurde in der Geschichte und Gegenwart anhaltend versucht, mit klassischen<br />

institutionellen Markierungen einen Anfang und ein Ende von Jugend zu bestimmen. Doch diese Eingrenzungsversuche<br />

haben nur eine sehr vage Aussagekraft.<br />

So war die Jugend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die männlichen Jugendlichen lange Zeit das<br />

Alter zwischen Schule und Militär und für die weiblichen Jugendlichen der Lebensabschnitt zwischen Schule<br />

und Eheschließung. Später wurden dann das Ende der Berufsausbildung, die ökonomische Selbstständigkeit und<br />

die Familiengründung als weitere Kriterien hinzugezogen. Wenn heute ein Teil der jungen Menschen eine berufliche<br />

Ausbildung erst am Anfang des dritten Lebensjahrzehnts beginnt, dann ist die Mehrzahl der jungen<br />

Menschen bei Ausbildungsbeginn bereits volljährig und schließt die berufliche Bildung erst im jungen Erwachsenenalter<br />

ab.<br />

Zudem sind die institutionellen Markierungen des Jugendalters eingerahmt in eine Reihe von sozialen Übergangskonstellationen,<br />

z. B. im Kontext von Qualifizierungs- und Verselbstständigungsprozessen und der Veränderung<br />

des sozialen Beziehungsgefüges von jungen Menschen. Allerdings kann an diesen Markierungen im<br />

historischen Vergleich gezeigt werden, wie sich auch diese Übergänge in das Erwachsenenalter für junge Menschen<br />

mit verschiedenen Bildungswegen ausdifferenziert und für viele junge Erwachsene zeitlich nach hinten<br />

verlagert haben (vgl. Abs. 2.3). Gleichzeitig greifen ökonomische, qualifizierungs- und freizeitbezogene sowie<br />

persönliche Aktivitäten in einer neuen Gestalt ineinander und prägen den Alltag von Jugendlichen und jungen

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