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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 477 – Drucksache 18/11050<br />

Vor allem die offenen Ganztagsschulmodelle befördern durch ihre additiv konzipierten Angebote eher eine<br />

Trennung zwischen den formalen und non-formalen Lern- und Bildungssettings. Mit Blick auf die Kernherausforderungen<br />

des Jugendalters sind die Ganztagsschulen gefordert, im Sinne eines erweiterten Bildungs- und<br />

Lebensortes für die verschiedenen Altersstufen, mehr Anschlussfähigkeit zu erreichen, damit sie von Jugendlichen<br />

auch als Bereicherung wahrgenommen werden. Dies umfasst dann auch außerunterrichtliche Bildungsangebote,<br />

an deren Gestaltung Jugendliche sehr viel mehr mitwirken können, also Angebote, die jenseits unterrichtsnaher<br />

Inhalte zusätzliche Bildungsmöglichkeiten eröffnen, aber auch jene Bereiche berücksichtigen, die<br />

Jugendliche als Erholung sowie als Rückzugs- und Erprobungsräume wahrnehmen.<br />

Eine Ganztagsschule muss somit auch für Jugendliche attraktiv sein und darf nicht allein darauf setzen, dass<br />

sich Jugendliche zur Teilnahme „verpflichtet“ fühlen. Vielmehr muss sie versuchen, älter werdende Jugendliche<br />

aktiv für ihre Teilnahme zu gewinnen, sofern man den Anspruch einer ganztägigen Schule in diesem Alter nicht<br />

generell aufgeben will. Dies kann sie aber nur, wenn sie die Vorstellungen und Interessen der Jugendlichen mit<br />

einbezieht und in dieser Hinsicht attraktiv bleibt. Es sollte ihr zumindest nicht gleichgültig sein, wenn Schülerinnen<br />

und Schüler im Zuge des Älterwerdens das Interesse an der Ganztagsschule und ihren Angeboten allzu<br />

schnell verlieren, zumindest nicht, solange dies nicht als Ausdruck der Verselbstständigung verstanden werden<br />

kann.<br />

Derzeit deutet sich anhand der Daten der KMK an, dass die Ganztagsschule in der Sekundarstufe eher an jenen<br />

Schulen „voll gebunden“ angeboten und damit verpflichtend wird – den Hauptschulen, den Förderschulen sowie<br />

den Schulen mit mehreren Bildungsgängen –, in denen jenseits der Gymnasien eine entsprechende Einwirkung<br />

auf diesen Teil der Jugendlichen gewünscht wird. Hiermit würde die Idee der Ganztagsschule aber zu einer<br />

sozial selektiven, weitergehenden Institutionalisierung des Jugendalters und zu einem Instrument der Disziplinierung<br />

umdefiniert. Mit anderen Worten: Die Chance der Ganztagsschule, andere Themen und Formate der<br />

Bildung für Jugendliche generell anzubieten und zugleich eine stärkere Öffnung der Schule zu non-formalen<br />

und informellen Bildungsprozessen zu erreichen, ginge so verloren – verbunden mit der zusätzlichen Stigmatisierung<br />

einzelner Schultypen. Stattdessen müssten Ganztagsschulen – im Sinne einer jugendorientierten Schule<br />

– versuchen, sowohl die individuelle Förderung benachteiligter Schülerinnen und Schüler zu unterstützen als<br />

auch eine generell verbesserte Anerkennungskultur für alle Jugendlichen zu entwickeln, die über die allein unterrichtsbezogene<br />

Leistungsanerkennung hinausweist und zusätzliche Selbstwirksamkeitserfahrungen durch ein<br />

erweitertes Spektrum an Themen, Inhalten, Angeboten und Gestaltungsräumen ermöglicht.<br />

‣ Mit Ganztagsschule sozialer Bildungsbenachteiligung entgegenwirken<br />

Mit Ganztagsschulen wurde u. a. auch die Hoffnung verbunden, sozialen Ausgrenzungsprozessen<br />

entgegenwirken zu können. Die Aufgabe, „Jugend ermöglichen“, bedeutet dabei, auch diejenigen<br />

Jugendlichen zu unterstützen und zu fördern, die größere Schwierigkeiten haben, Schule für sich<br />

selbst erfolgreich zu gestalten. Dieses Ziel wird jedoch nur dann erreichbar sein, wenn es gelingt,<br />

Lernstrukturen zu schaffen, die an den Lebenslagen und den vorhandenen Fähigkeiten und Stärken<br />

der Jugendlichen anknüpfen.<br />

Bisherige Befunde zur Wirkung und zu den Effekten der Ganztagsschulen zeigen, dass es vorerst nicht auf breiter<br />

Ebene gelungen ist, durch die Ganztagsschule soziale Benachteiligungen in unterrichtsbezogenen Lern- und<br />

Bildungsprozessen abzubauen. So zeigen sich bislang nur wenig Veränderungen, und wenn, dann vor allem<br />

darin, dass bestimmte Erfahrungsmöglichkeiten und Bildungsangebote (Sport, Musik, Kunst) auch Kindern und<br />

Jugendlichen aus ressourcenärmeren Elternhäusern zugänglich werden, die sie sonst nicht hätten. Angesichts<br />

der inzwischen mehr als zehnjährigen Erfahrung mit Ganztagsschulen in der Sekundarstufe bedarf es daher<br />

einer intensiven Überprüfung der Grundstrukturen und der pädagogischen Konzepte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.<br />

Im Sinne eines Ausgleichs von Bildungsungleichheiten geht es in Sachen Ganztagsschule v. a. darum,<br />

– Zugänge unabhängig von sozialer Herkunft und familialem Hintergrund zu ermöglichen,<br />

– Ausgrenzung und Diskriminierung in der Schule auf allen Ebenen zu verhindern,<br />

– individuelle Leistungen zu fördern und Ganztagsschulzeiten auch dazu zu nutzen, mit anderen Lernformen<br />

und anderen Zeitstrukturen Lernschwierigkeiten zu begegnen und individuelle Zugänge und Begabungen<br />

zu fördern, und

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