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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 135 – Drucksache 18/11050<br />

2 Lebenslagen Jugendlicher und junger Erwachsener – eine empirische Bestandsaufnahme<br />

Der vorliegende Bericht geht von einem Verständnis von Jugend als einem sozialen Integrationsmodus aus, der<br />

über die Kernherausforderungen der Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung gesellschaftliche<br />

Teilhabe für Jugendliche reguliert. Damit sind die gesellschaftlichen Handlungsanforderungen an Jugendliche<br />

und junge Erwachsene beschrieben, zu denen sich diese in ein Verhältnis setzen müssen und die zugleich<br />

Teil ihrer Lebenslagen sind.<br />

Lebenslage wird in diesem Bericht als eine sozialstrukturelle Dimension verstanden, die sich individuell realisiert,<br />

und in Anlehnung an Weisser (1956) als ein Zusammenhang von Ressourcen und damit verbundenen<br />

Handlungsspielräumen gefasst. Weisser verweist mit dem Begriff Lebenslage zum einen auf die „äußeren Umstände“<br />

und zum anderen auf die Spielräume, die diese Umstände für die Erfüllung menschlicher Grundanliegen<br />

bieten (vgl. Engels 2008). Für die folgende Beschreibung von Lebenslagen Jugendlicher bedeutet dies, die Multidimensionalität<br />

der horizontalen und vertikalen sozialstrukturellen Bedingungen in Abhängigkeit von Alter,<br />

Kohortenzugehörigkeit, Nationalität und Rechtsstatus, Geschlecht, Region und sozioökonomischem Status einerseits<br />

zu erfassen und andererseits individuelle Gestaltungsformen zu beschreiben (Homfeld u. a. 2009).<br />

Dabei ist der Versuch, Lebenslagen junger Menschen empirisch zu erfassen, auf festgelegte Altersschneidungen,<br />

relevante Indikatoren und Merkmalsbestimmungen angewiesen, die in ihrer Eindeutigkeit und Vereinheitlichung<br />

dem Verständnis von Jugend als sozialem Integrationsmodus scheinbar zuwiderlaufen. Gleichwohl<br />

kommt die empirische Deskription von konkreten Lebensbedingungen Jugendlicher und junger Erwachsener<br />

nicht umhin, in ihrem Umgang mit den Kernherausforderungen von inhaltlichen Festlegungen auszugehen, auch<br />

wenn sie damit Gefahr läuft, spezifische Realitäten des Jugendalters auszublenden.<br />

Dennoch erfolgt in diesem Kapitel anhand ausgewählter Gegenstandsbereiche und Indikatoren eine empirische<br />

Beschreibung der aktuellen Bedingungen, unter denen Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland Qualifizierung,<br />

Selbstpositionierung und Verselbstständigung institutionell ermöglicht wird. Zugleich wird dargestellt,<br />

wie Jugendliche diese selbst ausgestalten (können). Dabei stehen insbesondere diejenigen Phänomene und<br />

Gegenstandsbereiche im Mittelpunkt, die als Kernherausforderungen die Lebenslagen Jugendlicher gegenwärtig<br />

in besonderem Maße strukturieren, wie Qualifizierung und Verselbstständigung, bzw. die über jüngere Entwicklungen<br />

besondere öffentliche Aufmerksamkeit genießen, wie Armut und Migration.<br />

Die zentrale Grundlage der Sicherung sozialer Teilhabe für Jugendliche in einer Gesellschaft bildet jedoch zunächst<br />

ihre spezifische generationale Lage (vgl. Abs. 2.1). Diese wird hier bestimmt über die demografische<br />

Stellung der 14- bis 25-Jährigen im Verhältnis zu anderen Altersgruppen, im regionalen Vergleich sowie im<br />

Verhältnis unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zueinander (vgl. Abs. 2.1.1). In einem zweiten Schritt wird<br />

die migrationsbedingte Diversität von Jugend in der Einwanderungsgesellschaft beschrieben. Dabei steht insbesondere<br />

die jüngere Entwicklung des starken Zuzugs Schutz- und Asylsuchender im Fokus (vgl. Abs. 2.1.2; vgl.<br />

auch Abs. 7.4). Die generationale Lage Jugendlicher lässt sich drittens an ihren sozioökonomischen Bedingungen<br />

ablesen, über die Chancen der Integration und Risiken der Desintegration in unserer Gesellschaft zentral<br />

geregelt werden (vgl. Abs. 2.1.3).<br />

Im Weiteren liegt der Fokus dieses Kapitels auf den Aspekten der Qualifizierung (vgl. Abs. 2.2) und der Verselbstständigung<br />

(vgl. Abs. 2.3) von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, womit vor allem die Teilhabe junger<br />

Menschen am institutionellen Gefüge der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Familie und der Unternehmen<br />

angesprochen ist. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen zunächst zentrale Indikatoren zum Verlauf<br />

formaler Qualifizierungsprozesse in Schule und Ausbildung (vgl. Abs. 2.2.1 und Abs. 2.2.2). Da bildungsbezogene<br />

Aktivitäten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch über formale Bildungsinstitutionen hinaus in<br />

der Wahrnehmung an Bedeutung gewinnen, werden in einem weiteren Schritt auch non-formale Qualifikationsprozesse<br />

exemplarisch einbezogen (vgl. Abs. 2.2.3). In einem dritten Abschnitt werden Schritte der Verselbstständigung<br />

thematisiert, die das Jugendalter rahmen, indem sie Übergänge von der Kindheit in die Jugend und<br />

von der Jugend in das Erwachsenenalter markieren (z. B. Kötters 2000; Schäfers 2003). Als zentrale Indikatorenbereiche<br />

gelten in diesem Zusammenhang neben den wohnräumlichen Bedingungen und der Gründung eines<br />

eigenen Haushalts (vgl. Abs. 2.3.1) die Erlangung ökonomischer Selbstständigkeit und finanzieller Unabhängigkeit<br />

(vgl. Abs. 2.3.2) sowie die Gründung einer eigenen Familie (vgl. Abs. 2.3.3).<br />

Die dargestellten Befunde werfen empirische Schlaglichter auf ausgewählte Dimensionen der Lebenslagen von<br />

Jugendlichen und greifen in Teilen auf den Stand der Forschung zu den Themenfeldern zurück. Die vorliegende

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