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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 409 – Drucksache 18/11050<br />

habe hergestellt werden, unabhängig davon, welche Voraussetzungen ein Kind, ein Jugendlicher oder auch ein<br />

Erwachsener mitbringt“ (Dannenbeck 2013, S. 24).<br />

Dabei geht es nicht allein um die verschiedenen Felder der Kinder- und Jugendarbeit, sondern auch um die Weiterentwicklung<br />

an ihren Schnittstellen – vor allem an der Schnittstelle zur Ganztagsschule (vgl. Abs. 6.6.2).<br />

Dass Inklusion nicht allein an die Kinder- und Jugendarbeit zu adressieren ist, sondern – im Gegenteil – scheitern<br />

wird, wenn sie nicht von anderen gesellschaftlichen Akteuren unterstützt wird und die entsprechenden Ressourcen<br />

zur Verfügung gestellt bekommt, sei nicht nur der Vollständigkeit halber erwähnt – auch damit aus dem<br />

Ort, an dem das Thema Inklusion junger Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in diesem Bericht<br />

aufgegriffen wird, kein falscher Schluss gezogen wird.<br />

6.6.2 Ganztagsschule und Nachmittagsbetreuung von Schulkindern: Risiken und Chancen<br />

für die Kinder- und Jugendarbeit<br />

Seit längerem ist hierzulande eine Entwicklung beobachtbar, die der 14. Kinder- und Jugendbericht als eine<br />

„Institutionalisierung des Aufwachsens“ umschrieben hat (Deutscher Bundestag 2013). Immer mehr Heranwachsende<br />

nehmen immer früher – bereits im Kleinkindalter – und immer länger institutionelle Bildungs-,<br />

Betreuungs- und Erziehungsangebote in Anspruch. Dies gilt in wachsendem Maße auch für das Schulalter, vor<br />

allem für die Grundschuljahre, während für die Sekundarstufe durchaus unterschiedliche und möglicherweise<br />

auch bildungsgangabhängige Tendenzen zu verzeichnen sind (vgl. ausführlich Abs. 5.2). Durch den flächendeckenden<br />

Auf- und Ausbau der Ganztagsschulen sowie andere Formen der Nachmittagsbetreuung, insbesondere<br />

dem Hortangebot gemäß § 24, 4 SGB VIII, entstehen verstärkt neue (a) zeitliche Friktionen, (b) konzeptionelle<br />

Überschneidungen und (c) konkurrierende Zuständigkeiten zwischen den Ganztagsangeboten von Schule und<br />

Hort auf der einen, und den bisherigen Angeboten der Jugendorganisationen, der Jugendfreizeiteinrichtungen<br />

und der örtlichen Vereine auf der anderen Seite.<br />

a) Rein zeitlich betrachtet zeigen die vorliegenden Analysen, dass die Schnittmengen zwischen Ganztagsschule<br />

und Kinder- und Jugendarbeit bislang oft geringer sind als angenommen, da zum einen die Inanspruchnahme<br />

der Ganztagsangebote mit zunehmenden Alter in der Sekundarstufe deutlich abnimmt und zum anderen ein<br />

größerer Teil der Kinder und Jugendlichen die Ganztagsschule ohnehin nur an zwei oder drei Tagen besucht<br />

(vgl. Abs. 5.2). Von einer generellen zeitlichen Vereinnahmung der Kinder und Jugendlichen durch die Ganztagsschule<br />

kann in dieser Allgemeinheit somit vorerst nicht die Rede sein (vgl. auch Lange/Wehmeyer 2014).<br />

Mit anderen Worten: Immer noch ist die große Mehrheit der Kinder und vor allem der Jugendlichen durch die<br />

Ganztagsschule zeitlich nicht so gebunden, dass sie aufgrund dessen die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit<br />

nicht nutzen kann.<br />

Das ist aber nur die eine Seite der möglichen neuen zeitlichen Friktionen. Jenseits der Ganztagsschule darf nicht<br />

übersehen werden, dass durch die fast zeitgleiche Umstellung der gymnasialen Schulzeit in vielen Bundesländern<br />

von neun auf acht Jahre (G8-Gymnasien) der schulische Alltag von vielen Jugendlichen zusätzlich zeitlich<br />

verdichtet worden ist, da in kürzerer Zeit mehr Unterrichtsstoff untergebracht werden muss. Und schließlich hat<br />

auch die flächendeckende Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge an den bundesdeutschen Hochschulen<br />

mit ihrer deutlich veränderten Studienstruktur mit dazu beigetragen, dass die Freiheitsgrade des Studierens<br />

deutlich beschränkt worden sind, was mit Blick auf das freiwillige Engagement von jungen Erwachsenen in<br />

der Kinder- und Jugendarbeit ebenfalls zu zeitlichen Begrenzungen führen kann.<br />

Alle diese Entwicklungen zusammengenommen mögen in der Summe mit dazu beitragen, dass die Kinder- und<br />

Jugendarbeit, sowie alle anderen Akteure und Anbieter von Nachmittagsangeboten (Sportvereine, Musikschulen<br />

etc.), zeitliche Einschränkungen wahrnehmen und sich in neuer, gegenüber früher ungewohnter Weise unter<br />

Druck gesetzt fühlen, sich neu auf diese zeitlichen Herausforderungen einzustellen.<br />

(b) Neben den zeitlichen Einschränkungen geht mit dem Ausbau der schulnahen Ganztagsangebote und der<br />

anderen Formen der Nachmittagsbetreuung aber auch eine konzeptionelle Aufweichung der bislang relativ klaren<br />

Grenzen zwischen der Schule einerseits und der Kinder- und Jugendarbeit andererseits einher. Konnte die<br />

(Halbtags-)Schule bislang auf Unterricht, Fachlernen, Prüfungen, Kontrolle und Pflicht eingegrenzt werden –<br />

sieht man einmal von Theater-AG, Schulchor und anderen schulinternen Arbeitsgruppen ab –, so überschreitet<br />

die Ganztagsschule von ihrem konzeptionellen Anliegen her sehr viel grundlegender diese Engführung: Ganztagsschule<br />

wird zugleich zu einem Ort der freiwilligen, offenen Angebote, der stärkeren Berücksichtigung der

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