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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 281 – Drucksache 18/11050<br />

4.2.2 Globale und transnationale Vernetzung in Online-Communities<br />

Im Unterschied zu Sozialen Netzwerken im Social Web, in denen Beziehungen unter Jugendlichen vornehmlich<br />

personenorientiert geknüpft werden und das reale und virtuelle soziale Netzwerk weitgehend deckungsgleich ist,<br />

zeichnen sich Online-Communities dadurch aus, dass Beziehungen hier auch interessenorientiert eingegangen<br />

und über teils weite Entfernungen gepflegt werden. Online-Communities bilden sich z. B. über textbasierte<br />

Rollenspiele (z. B. Multi User Dungeons, kurz MUD), Diskussionszirkel in thematisch eingegrenzten<br />

Newsgroups, Mailinglisten, Chats, Online-Spiele sowie nicht-kommerzielle oder kommerzielle Portale. 47 Communities<br />

werden gern auch parallel zu großen Communities kommerzieller Medienunternehmen realisiert; sie<br />

genießen in der Szene oftmals ein größeres Ansehen. Mehr als jeder zweite zwölf- bis 19-jährige Jugendliche<br />

(56 %) nutzen Online-Communities mindestens mehrmals pro Woche (Mädchen: 55 %, Jungen: 57 %), wobei<br />

in der benannten Studie die aktuell populären Dienste (WhatsApp, Facebook, Snapchat) nicht einbezogen wurden<br />

(Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2015, S. 56). Die Kommunikationsgemeinschaften<br />

erfreuen sich bei den Beteiligten eine so große Beliebtheit, da sie Informationen liefern, Möglichkeiten des Tauschens,<br />

Teilens und der Kollaboration bieten und Zugehörigkeit vermitteln.<br />

An dieses Vernetzungspotenzial wurden bei der Entstehung erster Communities große Hoffnungen hinsichtlich<br />

der Demokratisierung von Gesellschaft geknüpft (Rheingold 1994). Wenngleich diese idealisierte Sichtweise<br />

nicht lange aufrecht erhalten werden konnte (Wellman/Gulia 1999; Stegbauer 2001), ist heute doch allgemein<br />

die These akzeptiert, dass die digitale Kommunikation nicht nur die Pflege bereits bestehender interpersoneller<br />

Beziehungen über raum-zeitliche Grenzen hinweg ermöglicht (so ja auch das Telefon oder Briefe), sondern sich<br />

im Medium selbst gänzlich neue Beziehungen und Interaktionsmuster herausbilden können und Online-<br />

Communities somit nicht zu einer Vereinsamung oder Vernachlässigung von realen Beziehungen führen, sondern<br />

diese das reale Netzwerk (bereichernd) ergänzen (Döring 1996; Wetzstein u. a. 1995; Parks/Floyd 1996;<br />

Suler 1996; Pietrowski 2006) und auch zur transnationalen Vernetzung über natio-ethno-kulturelle Grenzen<br />

hinweg beitragen können.<br />

Im Folgenden werden zwei Arten von Online-Communities vorgestellt, die auf die zunehmende Transnationalisierung<br />

jugendlicher Alltagswelten (vgl. auch Abs. 3.9) und die Bedeutung der zunehmenden kommunikativen<br />

und virtuellen Mobilität Jugendlicher verweisen (Urry 2007). Einerseits wird beispielhaft gezeigt, wie die digitalen<br />

Medien von jungen Erwachsenen jenseits nationaler Grenzziehungen dazu genutzt werden, um sich natioethno-kulturell<br />

zu positionieren. Ergänzt wird diese Perspektive durch den Blick auf Interessengemeinschaften,<br />

die vor allem global agieren und die digital-vernetzten Medien dazu nutzen, um auf sachlich-instrumenteller<br />

Ebene Informationen zu teilen und sich kollaborativ mit anderen zu vernetzen: Gaming-Communities. Beiden<br />

Beispielen ist gemein, dass sie die Ermöglichungspotenziale digital-vernetzter Medien im Hinblick auf ihre<br />

grenzüberschreitende Funktion aufzeigen: Die Beteiligten nutzen den digitalen Möglichkeitsraum als Instrument<br />

zur Aufrechterhaltung transnationaler Beziehungen und um grenzüberschreitend gemeinsamen Interessen nachzugehen<br />

– in beiden Fällen stellen sie Zugehörigkeiten jenseits nationalstaatlicher Bezüge her. Deutlich wird<br />

dabei allerdings auch, dass bestehende soziale Strukturierungen und Praktiken nicht zwangsläufig aufgehoben,<br />

sondern teils auch online reproduziert und fortgesetzt werden.<br />

4.2.2.1 Online-Communities als Aushandlungsort natio-ethno-kultureller Identitäten<br />

Online-Communities werden auch als Möglichkeitsraum genutzt, um transnationale Beziehungen zu pflegen<br />

und natio-ethno-kulturelle Identitäten auszuhandeln. Zu diesem Themengebiet befragt wurden bislang vor allem<br />

Menschen mit Migrationshintergründen, da sie Medien selbstverständlich als Mittel zur Überbrückung geographisch-räumlicher<br />

Distanzen als auch zur Selbstpositionierung jenseits nationalstaatlicher Zugehörigkeit nutzen.<br />

So machen sie ihre eigene oder vermittelte Migrationserfahrung und das Aufwachsen in der Migrationsgesellschaft<br />

in Communities teils explizit zum Thema (Klein-Zimmer 2016), sie partizipieren aber auch ohne Rekurs<br />

auf ihre kulturelle Herkunft in Interessengemeinschaften und positionieren sich damit national-staatliche Grenzen<br />

überschreitend transnational.<br />

47<br />

Grundsätzlich können auch innerhalb Sozialer Netzwerke Communities gebildet werden, die Zusammensetzung und Ziele der Vergemeinschaftung<br />

der Community unterscheidet sich dann aber von dem übergeordneten Sozialen Netzwerk, das allein die Plattform für die Community<br />

liefert.

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