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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 348 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

auch in den Ganztagsschulen die Schul- und Kompetenzleistungen klar von der sozialen Herkunft und der<br />

Schulform abhängig (vgl. Fischer u. a. 2009). In der StEG-Studie zeigten sich kleine Effekte, dass an gebundenen<br />

Ganztagsschulen der Zusammenhang von Schulnoten und sozialer Herkunft weniger stark ausgeprägt ist als<br />

in offenen Ganztagsschulmodellen (vgl. Züchner/Fischer 2014). Mit Blick auf außerunterrichtliche Bildungsund<br />

Freizeitmöglichkeiten zeigt sich, dass die Ganztagsschulen mit ihren Angeboten Jugendlichen aus ressourcenärmeren<br />

Haushalten Möglichkeiten organisierter Aktivitäten eröffnen, die sie ansonsten in außerschulischen<br />

Angeboten der Vereine oder der Kunst- und Musikschulen nicht wahrnehmen (Soremski 2011; Züchner/Rauschenbach<br />

2013; Lehmann-Wermser u. a. 2010, S. 127f.).<br />

(6) Fortgesetzter Besuch der Schule: Eine unterstützende Funktion erfüllt die Ganztagsschule offensichtlich in<br />

der Stabilisierung und Fortsetzung von Schulkarrieren. Die Teilstudie StEG-A beschreibt, dass der Ganztagsschulbesuch<br />

in Realschulbildungsgängen genutzt wird, um höhere Bildungsaspirationen zu verwirklichen und in<br />

die Sekundarstufe II überzugehen, in Hauptschulbildungsgängen dienen Ganztagsangebote eher der Stabilisierung<br />

der schulischen Leistungen zum Erreichen des Schulabschlusses (StEG-Konsortium 2016, S. 41).<br />

(7) Veränderung des Familienlebens: In der Wahrnehmung vieler Eltern und Jugendlicher tragen die Ganztagsschulen<br />

zur Entlastung des Eltern-Kind-Verhältnisses bei – und dies besonders im Jugendalter. Vor allem die<br />

Entlastung von Hausaufgaben, aber durchaus auch die Unterstützung bei Erziehungsproblemen, werden von<br />

Eltern betont (Börner u. a. 2010; Züchner 2011). Hier sind die Effekte bei Elternhäusern mit niedrigem sozialen<br />

Status bzw. ressourcenärmeren Elternhäusern größer. Diese sehen insgesamt größere Auswirkungen durch die<br />

Nutzung der Ganztagsschulangebote auf ihre Kinder (Börner u. a. 2013). Unter dem Strich zeigen sich jedoch<br />

keine bedeutsamen Veränderungen der Familienbeziehungen von Ganztags- im Unterschied zu Halbtagsschülerinnen<br />

und -schülern (Soremski/Lange 2010).<br />

(8) Auswirkungen auf Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten: Unterschiedliche Untersuchungen konnten<br />

bislang wenig – positive oder negative – Auswirkungen des Ganztagsschulteilnahme auf die Einbindung in<br />

andere organisierte Freizeitaktivitäten außerhalb der Schule feststellen (Heim u. a. 2013; Laging 2013; Naul<br />

u. a. 2011; Züchner/Arnoldt 2011). Wiederholt geäußerte Bedenken, dass der Ganztagsschulbesuch sich zulasten<br />

anderer Freizeit- und Vereinsaktivitäten auswirke (Lange/Wehmeyer 2014), lassen sich insoweit nicht bestätigen<br />

(vgl. auch Kap. 6). So belegen auch die Daten der neuen Zeitverwendungsstudie des Statistischen Bundesamts,<br />

dass Jugendliche weit mehr Freizeit außerhalb als innerhalb der Schule verbringen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

2016).<br />

(9) Auswirkungen auf Peerkontakte: Auch bei diesem Thema sind die Befunde nicht durchgehend konsistent.<br />

Während sich in den Selbstangaben der Jugendlichen in der StEG-Studie nur leichte Unterschiede bei Peereinbindungen<br />

in Abhängigkeit von Ganztags- und Halbtagsschulbesuch zeigten (Züchner 2013), fand die PIN-<br />

Studie (Kanevski/von Salisch 2011) heraus, dass sich bis zur neunten Jahrgangsstufe die Schülerinnen und<br />

Schüler in der Ganztagsschule im Vergleich zur Halbtagsschule mehr auf die Schulfreundschaften konzentrieren<br />

und außerschulische Beziehungen tendenziell stärker zurückgehen. Ein weiteres Ergebnis war, dass in den<br />

Ganztagsschulen mehr Freundschaften entstehen – Freundschaften, die ein höheres entwicklungsförderliches<br />

Potenzial beinhalten. Dabei gibt es auch eine größere Bandbreite gegenseitiger Unterstützungen unter den Schülerinnen<br />

und Schülern.<br />

Als Ergebnis ihrer qualitativen Untersuchung von Freizeitaktivitäten von Ganztagsschülerinnen und -schülern<br />

betonen Soremski und Lange, dass Freizeitaktivitäten sich im Fall eines Ganztagsschulbesuchs vervielfältigen,<br />

sodass zunehmend Kompetenzen notwendig werden, die schulische und außerschulische Freizeit miteinander in<br />

Einklang zu bringen. Diese zu vereinbaren gelingt, wenn die schulische Freizeit mit den außerschulischen Freizeit-<br />

und Peeraktivitäten kompatibel ist. Sie gelingt weniger – und wird als Stress erlebt –, wenn es zu einer<br />

Trennung des Freundeskreises kommt (Soremski/Lange 2010). Diesbezüglich verweist Soremski (2013) auf<br />

unterschiedliche Typen der Freizeit- und Peereinbindung von Ganztagsschülerinnen und -schülern, bei denen<br />

diese Vereinbarkeit mal gut und mal weniger gut gelingt.<br />

Versucht man, diese Befunde zu bilanzieren, so erscheinen die Auswirkungen des Ganztagsschulausbaus und<br />

die von ihm ausgelösten Veränderungen, so beeindruckend sich dieser mengenmäßig auch darstellen mag, insgesamt<br />

vorerst doch eher gering. Vor allem, wenn man die jugendspezifischen Fragen in den Blick nimmt,<br />

zeichnet sich in den empirischen Daten bislang kein grundlegender Wandel der Schulkultur oder des Lernens,<br />

keine Erosion der Landschaft außerschulischer Träger und auch keine gravierende Veränderung im Familienle-

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