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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 68 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

prozessen zu gestalten und zu bewältigen, gehört zu ihren zentralen Aufgaben. Letztlich kann es als die gerechtigkeitspolitische<br />

Nagelprobe der Jugendpolitik angesehen werden, inwieweit Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

in prekären Lebenskonstellationen jeweils eine eigene Jugend ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund<br />

wird auf vier besonders relevante Handlungsfelder in diesem Kontext eingegangen: das Übergangssystem im<br />

Rahmen der Berufsausbildung, die Hilfen zur Erziehung, die Sozialen Dienste für Menschen mit Behinderungen<br />

sowie die Dienste für geflüchtete junge Menschen.<br />

Das berufsbezogene Übergangssystem: institutionellen Ausschluss vermeiden<br />

Wenn bereits im Jugendalter die Übergänge in Ausbildung und Beruf verschlossen erscheinen und der Einstieg<br />

in eine reguläre Ausbildung misslingt, laufen junge Menschen Gefahr, in punkto Qualifizierung und Verselbstständigung<br />

nachhaltig den gesellschaftlichen Erwartungen nicht zu entsprechen sowie dauerhaft von Transfereinkommen<br />

abhängig zu werden. Qualifizierungswege bei Jugendlichen, die in prekären Lebenskonstellationen<br />

aufwachsen, verlaufen keineswegs linear. Eine entsprechende Förderung kann auch nach vorgängigen fehlenden<br />

Erfolgserlebnissen zu erfolgreichen Schulkarrieren auch noch im jungen Erwachsenenalter führen. Der Rückzug<br />

der Jugendsozialarbeit in der beruflichen Bildung lässt die Frage immer dringlicher werden, welche Möglichkeiten<br />

Jugendliche und junge Erwachsene (noch) haben, deren biografische Verläufe sich bereits weitgehend von<br />

den institutionalisierten „Normal“-Qualifizierungsverläufen entkoppelt haben.<br />

Das Übergangssystem, das seit etwa drei Jahrzehnten zur Vermeidung derartiger Sackgassen beitragen soll, hat<br />

inzwischen einen festen Platz im institutionellen Gefüge des Aufwachsens. Gleichzeitig stellt es für Jugendliche<br />

und junge Erwachsene keine transparente, jugendgerechte Struktur dar. So sind Aufgaben und Zuständigkeiten<br />

zwischen den Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe, dem Berufsbildungssystem und den Sozialen Diensten am<br />

Arbeitsmarkt vielfach ungeklärt; ein unübersichtlicher Übergangsdschungel ist entstanden. „Jugend ermöglichen“<br />

kann sich in diesem Kontext nicht darauf beschränken, Qualifizierungsbrücken anzubieten, um Schulabschlüsse<br />

nachzuholen und berufliche Qualifikationen anzubahnen. Die Erwartungen an Verselbstständigung und<br />

Selbstpositionierung junger Menschen und auch die Ziele der jungen Menschen selbst erfordern umfassendere<br />

Konzepte.<br />

Hilfen zur Erziehung: persönliche Rechte und soziale Chancen verwirklichen<br />

Gegenwärtig haben die Hilfen zur Erziehung ihren quantitativen Schwerpunkt im späten Kindes- und frühen<br />

Jugendalter. Junge Menschen, die durch Hilfen zur Erziehung betreut werden, werden früh im Jugendalter zu<br />

sogenannten „Care Leavern“, die – wenn sie die Volljährigkeit erreicht haben – von der Kinder- und Jugendhilfe<br />

meist nicht mehr erfasst werden. Von Care Leavern wird dabei erwartet, ein Heim oder eine Pflegefamilie in<br />

der Regel bereits mit 18, spätestens aber mit 21 Jahren zu verlassen. Sie sind somit wesentlich früher mit der<br />

Erwartung konfrontiert, ihr Leben selbstständig in die Hand zu nehmen als ihre Altersgenossen – und das, obgleich<br />

sie dabei meist auf weniger soziale Ressourcen aus der Herkunftsfamilie zurückgreifen können. Für diese<br />

jungen Volljährigen existiert kaum eine vergleichbare Hilfestruktur wie für Minderjährige.<br />

Darin zeigt sich ein Mangel in der Verantwortungsstruktur. Zudem weisen die Hilfestrukturen eine starke regionale<br />

Heterogenität auf: vom Wohnort der Care Leaver hängt in hohem Maß ab, welche Hilfen ihnen bei der<br />

Verselbstständigung zur Verfügung stehen, obwohl sie dem Grunde nach zumindest bis zum 21. Lebensjahr<br />

Anspruch auf diese Hilfe haben. Junge Volljährige sollten darum über ihre Rechte in der Kinder- und Jugendhilfe<br />

informiert und ihnen entsprechende Hilfen bewilligt werden. Darüber hinaus sollte eine Infrastruktur geschaffen<br />

werden, durch die junge Volljährige weiter betreut werden und sie auch nach Beendigung dieser Hilfen<br />

weitere Unterstützung finden können. Die Hilfen zur Erziehung müssen die Qualifizierungs-, Selbstpositionierungs-<br />

und Verselbstständigungsprozesse von Jugendlichen in prekären Lebenskonstellationen mitgestalten und<br />

die Jugendlichen in der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen.<br />

Inklusion und Jugendpolitik: die Perspektive der Adressatinnen und Adressaten stärken<br />

Junge Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in der hier anstehenden Altersphase sind in erster<br />

Linie eben auch Jugendliche und junge Erwachsene. Doch nur selten werden sie auch so betrachtet – zu stark<br />

erscheint die Kategorisierung als behindert oder beeinträchtigt, die vor das Jugendalter rückt. Die Diagnose<br />

einer Behinderung gewährt zwar auf der einen Seite Anspruch auf Hilfe, auf der anderen Seite bietet sie – allen<br />

Begriffsveränderungen zum Trotz – jedoch auch Anknüpfungspunkte für Stigmatisierungen, die zu sozialen<br />

Ausgrenzungen führen können. Deshalb erscheint es notwendig, solche Etikettierungen stärker dahin gehend zu

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