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Kinderund

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Drucksache 18/11050 – 58 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode<br />

und beschränken. Die Wohnregion stellt einen wichtigen Bedingungsfaktor ungleicher Zugangs- und Teilhabechancen<br />

dar. Ungleichheiten beginnen hier beim verwehrten technisch-schnellen Zugang zum Internet, umfassen<br />

überlange Wegezeiten zu Schulen und eingeschränkte jugendkulturelle Wahlmöglichkeiten und Peerkontakte.<br />

Die Wohnregion stellt damit gleichermaßen einen Ermöglichungs- und Begrenzungsraum jugendlichen<br />

Handelns und der damit verbundenen Lern- und Bildungsprozesse dar. So liegt die Zufriedenheit junger<br />

Menschen mit ihren Lebensbedingungen in ländlichen, strukturschwachen Regionen deutlich unter der von<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen anderswo. Junge Menschen nehmen die ländliche Region jedoch nicht<br />

als eine Begrenzung von Handlungsspielräumen wahr, wenn die Gegebenheiten vor Ort, wie lokale Vereinsstrukturen,<br />

mit den Interessenlagen der Jugendlichen zusammenfallen. In benachteiligten städtischen Wohngebieten<br />

weisen Jugendliche eine hohe lokale Orientierung auf; dort sind sie in ihren Aktionsradien sehr stark auf<br />

das nahe Wohnumfeld beschränkt, was zu gesteigerten Konflikt- und Exklusionsdynamiken führen kann.<br />

Empirische Befunde darüber, wie junge Menschen mit räumlichen Gegebenheiten in peripherisierten ländlichen<br />

und segregierten Stadträumen umgehen, sind bislang eher selten. Sie zeigen aber, dass Jugendliche die Angewiesenheit<br />

auf öffentlichen Nahverkehr und damit verknüpfte Wartezeiten sowie die Abhängigkeiten von Eltern<br />

als belastend erleben. Für Jugendliche in schrumpfenden ländlichen Regionen ist das Freizeitangebot begrenzt.<br />

In Vereinen treffen Jugendliche dort vor allem auf Erwachsene, und die Inhalte der Angebote sind teils stark an<br />

eher „männlichen Interessen“ orientiert. Die (Wahl)Möglichkeiten für Peerkontakte sind in peripherisierten<br />

ländlichen Regionen ebenfalls geringer. Auch wenn Rechtsextremismus kein exklusives Problem ländlicher,<br />

strukturschwacher Regionen ist, entstehen in Regionen, in denen rechte Jugendgruppen dominieren und alltagsweltlich<br />

präsent sind, niedrigere Zugangshürden für Jugendliche zu diesen Gruppen.<br />

Segregationsprozesse in städtischen Wohnregionen führen nach wie vor zu Homogenisierungseffekten in der<br />

Bevölkerung entlang demografischer, sozialstruktureller und/oder ethnischer Dimensionen. Auswirkungen für<br />

Jugendliche zeigen sich hier vor allem hinsichtlich der Teilhabechancen (z. B. Schuleinzugsgebiet, Bildungsbeteiligung),<br />

aber auch bezogen auf die Relevanz von Gewalt und Kriminalität im Alltag von jungen Menschen.<br />

So sind Jugendliche in benachteiligten Wohnquartieren mehrheitlich nicht nur auf niedrigere Bildungsgänge<br />

verwiesen, ihre Schulen sind auch zum großen Teil im jeweiligen Wohnquartier selbst angesiedelt – wodurch es<br />

zu einer noch verstärkten Entmischung der Schülerschaft und Einschränkung von Peerkontakten kommt. Verlassen<br />

Jugendliche ihr Wohnumfeld und besuchen einen höheren Bildungsgang, müssen sie eine Balance zwischen<br />

unterschiedlichen Sozialmilieus herstellen. Insgesamt wird es Jugendlichen in benachteiligten städtischen<br />

Wohnquartieren vor dem Hintergrund einer massiven Konfrontation mit pauschalisierenden Negativzuschreibungen<br />

deutlich erschwert, ein positives Selbstbild zu entwickeln.<br />

Jugendräume sind transnationale Räume<br />

Jugendliche Lebenswelten sind durch Phänomene der Transnationalisierung geprägt. Mobilität, Migration und<br />

Jugendkulturen ermöglichen jungen Menschen grenzüberschreitende Erfahrungen. Besonders das Jugendalter<br />

ist dabei durch höhere internationale Mobilität gekennzeichnet: Dies gilt für bildungsbezogene Auslandsaufenthalte<br />

ebenso wie für Wanderungsprozesse. Auch die Einbindung in transnationale Netzwerke z. B. in Bildungsinstitutionen<br />

oder im (virtuellen) Raum globaler Jugendkulturen ist typisch für Jugend.<br />

Die temporäre Zuwanderung junger Menschen in die Bundesrepublik Deutschland zum Zweck des Studiums<br />

oder der Arbeit ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Und zugleich nimmt auch die Zahl der jungen<br />

Menschen aus Deutschland zu, die Schüleraustausche oder Studienaufenthalte in anderen Ländern der Welt<br />

absolvieren. Jugendliche und junge Erwachsene kommen in die Bundesrepublik, um hier Arbeit oder Schutz zu<br />

suchen. Auch junge Menschen aus Einwandererfamilien nutzen transnationale soziale Räume und Mobilitäten<br />

in besonderem Maße. Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund überschreiten zugleich<br />

häufiger als andere junge Menschen Grenzen im Zusammenhang mit Bildung und Ausbildung. Darüber hinaus<br />

ist jedoch die internationale Mobilität im Bildungsbereich deutlich durch soziale Ungleichheit geprägt.<br />

Transnationale Arenen kennzeichnen das Leben junger Menschen in der Bundesrepublik zunächst vor allem im<br />

Kontext von Migration. Die dabei entstehenden Mobilitätspraktiken, sozialen Netzwerke und lokalen Arenen<br />

eröffnen jungen Menschen Zugänge zu vielfältigen Ressourcen: Diese liegen z. B. im Bereich sprachlicher,<br />

kultureller und sozialer Zusammenhänge, werden jedoch gesellschaftlich kaum anerkannt. Auch hier zeigen sich<br />

soziale Ungleichheiten, wenn zwischen erwünschter, auf Qualifizierung ausgerichteter Mobilität einerseits und<br />

Prozessen der (erzwungenen) Migration andererseits wertend unterschieden wird.

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