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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 191 – Drucksache 18/11050<br />

dings idealerweise finanziell auf eigenen Beinen stehen möchten, bevor sie eine Familie gründen, und sich immer<br />

noch stark mit der Rolle als Familienernährer identifizieren.<br />

Seit Mitte der 1970er Jahre stagnierte die Geburtenrate in den westlichen Bundesländern – seit 2005 auch in<br />

Gesamtdeutschland – auf einem konstant niedrigen Niveau und ist erst in jüngster Zeit, ab 2011, wieder leicht<br />

angestiegen. Für das Jahr 2014 liegt für Deutschland die zusammengefasste Geburtenziffer, d. h. die durchschnittliche<br />

Zahl der Kinder je Frau im Alter von 15 bis 49 Jahren, bei knapp über 1,4 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

2016, S. 18). Der überwiegende Teil der Kinder und Jugendlichen wächst mit einem<br />

Geschwisterkind auf (Bäcker/Hüttenhoff 2016, S. 18). Die Anzahl der Kinder nimmt zwar mit Höhe des Bildungsstandes<br />

der Frau ab, dennoch sind auch in dieser Bildungsgruppe Mütter mit zwei Kindern am häufigsten<br />

vorzufinden (Statistisches Bundesamt 2010; Bäcker/Hüttenhoff 2016, S. 19). Damit zeigt sich für Deutschland,<br />

dass die Norm der Zwei-Kind-Familie hier vorherrschend ist (Tölke 2015).<br />

Wenn von einer „Pluralisierung der Lebensformen“ die Rede ist, kann dies bedeuten, dass neue Lebensformen<br />

über die Zeit hinweg entstehen oder sich bereits bestehende Lebensformen anteilsmäßig ausdehnen. Vielfach<br />

konnte gezeigt werden, dass heutige Lebensformen bereits in früheren Zeiten bestanden, wenn teilweise auch in<br />

geringerem Umfang. Bei der Abbildung der Entwicklung verschiedener Lebensformen (z. B. Living-Apart-<br />

Together-Partnerschaften oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften) ergeben sich Probleme durch die Erfassung<br />

in empirischen Studien, die zu einer Unterschätzung vorhandener Lebensformen führen (Peuckert 2012,<br />

S. 151).<br />

So kann die amtliche Statistik nur bedingt verschiedene Familienformen abbilden, da diese nur eine Familienperspektive<br />

innerhalb des gleichen Haushaltskontextes zulässt. Die Analyse eines haushaltsübergreifenden Verständnisses<br />

von Familie (z. B. hinsichtlich von Multilokalität) ist damit nicht möglich (vgl. auch Kreyenfeld<br />

u. a. 2016, S. 306f.). Aufgrund der ungleichen Datenlage bezüglich des Zeitpunkts der Familiengründung von<br />

Frauen und Männern liegen für Männer immer noch zu wenige Erkenntnisse vor.<br />

Wenn in der Sozialberichterstattung zudem von Familiengründung die Rede ist, wird diese meist aus einer heterosexuellen<br />

Norm der Paarbildung heraus gedacht, sodass der Gegenstand Familiengründung in LSBT-Partnerschaften<br />

– u. a. bedingt durch die schwierigere Erfassung in den amtlichen Daten und fehlende Kenntnisse zur<br />

Grundgesamtheit in der Bevölkerung – bislang ein immer noch wenig erforschtes Untersuchungsfeld ist<br />

(Rupp/Haag 2016).<br />

Vor allem im dritten Lebensjahrzehnt zeigt sich eine deutliche Pluralität an Lebensformen, wenn auch andere<br />

Statusübergänge vollzogen werden (Peuckert 2012, S. 155). Während bis Mitte der 1950er Jahre das Verlassen<br />

des Elternhauses noch weitgehend mit einer Heirat verknüpft war, findet heutzutage die Eheschließung in der<br />

Regel erst einige Jahre nach der räumlichen Verselbstständigung statt. Historisch gesehen zeigt sich damit eine<br />

zunehmende Entkoppelung des Auszugs aus dem Elternhaus und der Heirat (Konietzka 2010, S. 154). Auch<br />

eine eigene Familie wird in Deutschland in der Regel erst dann gegründet, wenn junge Erwachsene selbstständig<br />

wohnen (Scherger 2007, S. 176f.). Die Wohn- und Lebensformen haben sich damit in den Jahren nach dem<br />

Verlassen des Elternhauses vielschichtiger ausgestaltet (Berngruber/Gille 2012). So haben das Alleinwohnen,<br />

Partnerlosigkeit, Living-Apart-Together-Partnerschaften und das nichteheliche Zusammenleben mit dem Partner<br />

oder der Partnerin im frühen Erwachsenenalter mittlerweile eine größere Verbreitung gefunden (Peuckert 2012,<br />

S. 144).<br />

Die Heirat wird immer seltener als eine notwendige Voraussetzung angesehen, um Kinder zu bekommen. So ist<br />

der Anteil an neu geborenen Kindern von nicht verheirateten Eltern über die Jahre hinweg angestiegen. Während<br />

der Anteil im Jahr 1990 bei 15,3 Prozent lag, sind im Jahr 2013 bereits 34,8 Prozent aller Neugeborenen<br />

von nicht verheirateten Eltern (Statistisches Bundesamt 2016e, S. 22).<br />

Damit findet eine zunehmende Entkoppelung von Eheschließung und Elternschaft statt (Peuckert 2012, S. 42).<br />

Heutzutage haben sich Ereignisse, die die Familiengründung markieren, zeitlich im Lebenslauf so weit nach<br />

hinten verschoben, dass abschließend zumindest die Frage aufgeworfen werden muss, inwiefern die Familiengründung<br />

überhaupt noch als Teil der Verselbstständigungsphase im Jugend- und jungen Erwachsenenalter zu<br />

verstehen ist. Anhand der zuvor dargestellten demografischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wird deutlich,<br />

dass heutzutage Übergänge, die die Familiengründung markieren, häufig erst im vierten Lebensjahrzehnt<br />

vollzogen werden und damit nicht mehr Gegenstand der Verselbstständigung junger Menschen unter 25 Jahren<br />

sind. Zusätzlich bleibt festzuhalten, dass die Institution Ehe als normativer Übergang in die Elternschaft zunehmend<br />

an Bedeutung verliert und damit nicht mehr als selbstverständlicher Teil der sozialen Verselbstständigung<br />

zu betrachten ist.

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