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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 207 – Drucksache 18/11050<br />

schon seit Jahren aus dem Erwerbsleben ausgegliedert sind. Diese Jugendlichen haben Eltern, die ihnen wenig<br />

materielle Sicherheit versprechen können“ (Albert u. a. 2010, S. 345).<br />

Bei diesen, sowohl wirtschaftlich als auch bildungsbenachteiligten, Jugendlichen findet sich der höchste Grad<br />

an Pessimismus im Kontext gesellschaftlicher Zukunftsperspektiven auch als sehr skeptische Einschätzungen<br />

persönlicher Chancen (vgl. ebd.). Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch die Sinus-Studie, die diese Jugendlichen<br />

in den „Typus“ der „Prekären“ einsortiert, der zugleich für die „gesellschaftlich Abgehängten“ steht, denen<br />

jedoch eine „Durchbeißermentalität“ bescheinigt wird (vgl. Thomas/Calmbach 2012).<br />

Schaut man sich die Phase des Auszugs aus dem Elternhaus als eine der entscheidenden Phasen jugendlicher<br />

Verselbstständigung an, dann zeigen Befunde von AID:A II einen Zusammenhang zwischen erstem Auszug aus<br />

dem Elternhaus und erreichtem Bildungsabschluss. Während Abiturientinnen und Abiturienten bereits durchschnittlich<br />

mit 21 Jahren das Elternhaus verlassen, ziehen Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss erst<br />

mit ca. 25 Jahren aus, worin sich zum einen der klassische Weg der Verselbstständigung über Ausbildung, Erwerbsleben<br />

mit eigenem Einkommen als Basis räumlicher Eigenständigkeit ausdrückt (vgl. Berngruber 2015b;<br />

ausführlich vgl. Abs. 2.3).<br />

Nicht undramatisch dürfte aber auch die sogenannte „Returner“-Rolle sein, die Jugendlichen zugewiesen wird,<br />

wenn sie nach dem bereits vollzogenen Auszug aus der Herkunftsfamilie wieder bei ihren Eltern einziehen<br />

(müssen). Dies gilt laut der Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2010 für fast ein Fünftel der Jugendlichen, die die<br />

Schule bereits abgeschlossen haben. Dabei steigt der Anteil der Returner mit zunehmendem Alter und trifft bei<br />

den 22- bis 25-Jährigen bereits bei fast einem Drittel zu. Die schichtspezifische Analyse zeigt mit einem Anteil<br />

von sechs Prozent für die „Unterschicht“ (Leven u. a. 2010, S. 69), dass hier vermutlich die materiellen Spielräume<br />

für einen experimentellen Auszug begrenzt sind bzw. die Wohnsituation der Eltern einen Rückzug erschwert.<br />

Zudem kann angenommen werden, dass ein ausbildungsbedingt befristeter Auszug durch Studium<br />

aufgrund des problematischen Zusammenhangs von sozialem Hintergrund und Bildungsweg hier seltener vorkommt.<br />

Befunde von AID:A I verweisen darauf, dass 80 Prozent der Jugendlichen in Berufsausbildung/Weiterbildung/Umschulung<br />

im elterlichen Haushalt wohnen, während dies für Studierende nur in etwa 55 Prozent der<br />

Fälle zutrifft (vgl. Berngruber/Gille 2012).<br />

Im Kontext dieser Annahme erscheinen die eher durchschnittlichen bzw. leicht überdurchschnittlichen Werte<br />

mit 23 Prozent für Returner in der „Oberschicht“ (Leven u. a. 2010, S. 69) für einen Teil der Fälle als Zwischenstation<br />

zwischen Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Phase materieller Abhängigkeit<br />

erklärbar. Zu den Rückkehrenden zählen aber auch sogenannte „Dropout-Jugendliche“, die sich weder in Bildungsinstitutionen<br />

noch in Erwerbsarbeit befinden, die aber auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben<br />

oder diese nicht beantragen möchten (Skrobanek/Tillmann 2015). Für diese Jugendlichen bildet die familiäre<br />

Unterstützung eine wichtige Ressource (vgl. Tillmann/Gehne 2012, S. 24f.).<br />

3.3 Was tun Jugendliche in und mit Gleichaltrigenbeziehungen?<br />

Mit zunehmendem Alter spielen für Jugendliche die gleichaltrigen Bezugspersonen eine immer wichtigere Rolle.<br />

Dabei sind sowohl dyadische Freundschaftsbeziehungen, festere Gruppen von Jugendlichen oder auch losere<br />

Netzwerke Gesellungsformen, die im Jugendalter meist parallel zueinander existieren. Sie bilden ein dynamisches<br />

Gefüge von Vergemeinschaftungen, in denen sich Jugendliche bewegen und in unterschiedlicher Art und<br />

Weise agieren (Krüger/Grunert 2008). Sowohl in Bezug auf die Gesellungsformen als auch vor dem Hintergrund<br />

differenter kontextueller Einbettungen und Motive der Vergemeinschaftung unterscheiden sich die Praktiken,<br />

die Bedeutungen und die Erlebensqualität in Gleichaltrigenbeziehungen. Insofern reicht es nicht aus, von<br />

den Peers zu sprechen, sondern die Frage nach Aktivitäten in der Gruppe und der Bedeutung von Peerkontakten<br />

für die Jugendlichen selbst erfordert eine differenziertere Perspektive auf unterschiedliche Möglichkeitsräume,<br />

Handlungsformen und Bedeutungszuschreibungen. Grundsätzlich ist für das gesamte Jugendalter von einer sehr<br />

hohen Einbindung Jugendlicher in unterschiedliche Formen der Peervergemeinschaftung auszugehen. Eingebunden<br />

sein in unterschiedliche Formen von Gleichaltrigenbeziehungen ist für Jugendliche ein immens bedeutsamer<br />

Wert, sodass 97 Prozent der in der Shell-Studie befragten Zwölf- bis 25-Jährigen es wichtig bzw. sehr<br />

wichtig finden, dass man Freunde hat, die einen anerkennen und fast ebenso viele messen einem Partner, dem<br />

man vertrauen kann, eine ähnlich hohe Bedeutung bei (vgl. Shell Deutschland Holding 2010 sowie Gensicke<br />

2015, S. 239). Während bei jüngeren Jugendlichen sowohl Einzelfreundschaften als auch informelle Gruppen

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