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Kinderund

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 217 – Drucksache 18/11050<br />

ziehung Wert legen, sind es bei Jungen stärker die gemeinsamen Aktivitäten, über die Freundschaft sich konstituiert.<br />

Gleichwohl finden sich auch in exklusiven Freundschaften junger Männer stärker kommunikative Formen,<br />

die sich als authentische Eigendarstellungen niederschlagen (Wagner/Alisch 2006). Insgesamt fällt es<br />

Mädchen eher leichter, mit ihren Freundinnen und Freunden über Probleme zu sprechen, während Jungen sich<br />

dabei etwas schwerer tun. So geben 20 Prozent der in der HSBC-Studie befragten Jungen und 13 Prozent der<br />

Mädchen an, dass es ihnen schwerfällt, mit Freunden über ihre Probleme zu reden. Gleichzeitig verweisen die<br />

Daten darauf, dass es für einen Großteil der Jugendlichen, unabhängig von der besuchten Schulform oder der<br />

Familienstruktur, unproblematisch ist, sich ihren Freundinnen und Freunden bei Problemen anzuvertrauen (vgl.<br />

Richter u. a. 2016, S. 29).<br />

Als zentrale Gelegenheitsstruktur für Gleichaltrigenkontakte generell spielt die Schule auch für das Zustandekommen<br />

interethnischer Freundschaften eine wichtige Rolle. Je nach besuchter Schulform (wie auch nach der<br />

jeweiligen regionalen Platzierung der Schule) eröffnet sich ein differenter Möglichkeitsraum für Begegnungen<br />

zwischen Jugendlichen mit und ohne sogenannten Migrationshintergrund.<br />

Wochenplan Anton, 15 Jahre<br />

Porträt 3-3<br />

Anton lebt in einer westdeutschen Kleinstadt gemeinsam mit seinen Eltern in einer Reihenhaussiedlung. Er<br />

besucht die integrierte Gesamtschule in der nahegelegenen Kreisstadt, die er nur mit dem Schulbus erreichen<br />

kann. Sein Tag beginnt um 6.30 Uhr, er ist oft „mega müde und so halt“. Nach der Morgentoilette trinkt er<br />

einen Kaffee und läuft zur Haltestelle, wo um 7.19 Uhr sein Schulbus abfährt, der jeden Morgen überfüllt ist.<br />

Nach 30 Minuten Busfahrt sind „das Niveau und die Motivation ganz unten“.<br />

In der Schule fühlt er sich von einigen Lehrerinnen und Lehrern, ihrem Schulstoff und/oder ihren Unterrichtsmethoden<br />

genervt, weil letztere ihm teilweise vollkommen sinnlos erscheinen. Guter Unterricht ist für<br />

Anton, wenn er ein Konzept erkennen kann. Französisch, Mathe und Physik hasst er, weil ihn entweder die<br />

Lehrerinnen und Lehrer ignorieren, nicht gut erklären können oder „wir nix machen im Unterricht, gar<br />

nichts“. Dagegen begeistern ihn Lehrerinnen und Lehrer, die „zwar strengen Unterricht“ machen, aber „gut<br />

erklären“ können. In den Pausen isst er sein Schulbrot, wartet auf die nächste Stunde und unterhält sich mit<br />

Freunden „was so los ist. Krisen, neue Video Games etc.“. Manchmal holen sie sich einen Snack vom gegenüberliegenden<br />

Einkaufsmarkt, wenn es die Pausen zulassen. Montag ist für ihn „der schlimmste Tag der<br />

Woche“, Mittwoch ist „der beste Tag der Woche“.<br />

Gegen 14.00 Uhr trifft er wochentags zuhause ein, treibt kurz etwas Sport auf dem Hometrainer („ich muss fit<br />

sein“), um dann endlich zu seiner Lieblingsbeschäftigung überzugehen: „Zocken am PC“. Anton liebt es, seine<br />

ganze freie Zeit am PC zu verbringen und mit seinen Freunden Online-Spiele zu spielen, sobald seine<br />

Hausaufgaben erledigt sind, meist bis 20.00 oder 21.00 Uhr. Spätestens um 22 Uhr legt er sich schlafen.<br />

In seinem Wochenplan findet das täglich stattfindende Abendessen mit seinen Eltern keinen Platz, wichtiger<br />

ist ihm, mit seinen Freunden neue Computerspiele auszuprobieren. An den Wochenenden schläft Anton gern<br />

sehr lang („bis 11.00 Uhr gepennt“), lernt für die Schule und „zockt“, so oft es geht, „bis 22.00 Uhr“, ganz<br />

selten auch mal bis tief in die Nacht hinein, falls es ihm seine Eltern gestatten.<br />

Insbesondere an den Hauptschulen geben nach einer Untersuchung von Reinders (2010, S. 127) ca. 44 Prozent<br />

der Schülerinnen und Schüler an, eine andersethnische beste Freundschaft zu führen, während dieser Wert an<br />

Realschulen und Gymnasien bei ca. 30 Prozent liegt. Dies weist gleichzeitig darauf hin, wie in Kap. 2 bereits<br />

deutlich wurde, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund, fasst man sie undifferenziert als Gesamtgruppe, in<br />

Deutschland keine Minderheit mehr darstellen, sondern mit einem Anteil von ca. 27 Prozent an der Altersgruppe<br />

der Zehn- bis 25-Jährigen (vgl. Abs. 2.1.2.1) und noch höher in den Großstädten zur bundesdeutschen Normalität<br />

gehören. Allerdings öffnet sich in dieser Hinsicht ein immenses Ost-West-Gefälle, da der Anteil an Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergrund in den westdeutschen Ländern einschließlich Berlin vier bis zehnmal so<br />

hoch ist wie der in Ostdeutschland (ohne Berlin). Während Schule und Schulklassen damit in unterschiedlichem<br />

Maße Gelegenheitsstrukturen (zumindest für westdeutsche) für interethnische Freundschaften bieten, sind für<br />

das tatsächliche Zustandekommen v. a. die Einstellungen und Verhaltensweisen von Schülerinnen, Schülern und<br />

Lehrkräften sowie das jeweilige Klassen- und Schulklima von Bedeutung und sie müssen, um zu besten Freund-

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